Der Knochendieb
Röntgenbildern den OP betrat.
25. KAPITEL
Als Driscoll beim Polizeipräsidium eintraf, wurde er auf der Stelle von einem Schwarm aus Zeitungsreportern und Fernsehteams umringt. Man hielt ihm Mikrofone vor die Nase, während Kameras jede seiner Bewegungen verfolgten. Die Reporter feuerten eine Frage nach der anderen ab.
»Lieutenant, sind Sie dem Mörder schon auf den Fersen, der nach und nach unsere weiblichen Mitbürger abschlachtet?«
»Stimmt es, dass Miss Stockard schwanger war?«
»Haben Sie irgendwelche Neuigkeiten, die Sie der Öffentlichkeit mitteilen können und die den Leuten ein wenig die Angst nehmen?«
Driscolls Blick fiel auf Jessie Reynolds, eine von New Yorks besonneneren Nachrichtenreporterinnen. Sie berichtete
schon seit Jahren über Kriminalfälle. Als er zu sprechen begann, wandte er sich eigentlich nur an sie. »Meine Damen und Herren, die Polizei hat für diesen Fall ein Team von dreißig engagierten Ermittlern abgestellt. Ich versichere Ihnen, dass wir nichts unversucht lassen, um den Wahnsinnigen zu fassen, der der Stadt New York den Krieg erklärt hat.«
»Was ist mit Miss Stockard?«, rief jemand. »Stimmt es, dass sie schwanger war?«
»Die Frage kann ich nicht beantworten. Der ärztliche Leichenbeschauer hat uns noch keine endgültigen Ergebnisse mitgeteilt.«
Driscolls Mobiltelefon klingelte. Er kämpfte sich durch die nachrichtenhungrige Reportermeute und trat in die Halle des Polizeipräsidiums.
»Driscoll hier.«
»Lieutenant, hier ist Liz. Wir haben die Adresse von Miss Stockard. Sie hat in der East Ninety-fourth Street hundertachtundzwanzig gewohnt. Ein zu einer Eigentumswohnanlage umgewandeltes Haus an der Upper East Side. Außer ihr war niemand berechtigt, mit ihrer Saks-Kundenkarte einzukaufen, und wir haben auch die Liste ihrer Einkäufe im letzten Jahr. Es ist nichts Auffälliges dabei, außer einer Flasche Herrenparfüm, die sie vor zwei Monaten erstanden hat. Alles andere ist Routine.«
»Liz, ich möchte, dass Sie und Luigi zu ihrer Wohnung gehen und sie gründlich durchsuchen. Vielleicht bringt uns das irgendwie weiter. Und befragen Sie den Hausmeister. Ich muss wissen, mit wem sie befreundet und ob sie mit jemandem liiert war. Bevor Sie das Haus verlassen, schieben Sie unter jede Tür eine Karte mit der Nummer des Hinweistelefons.«
»Machen wir.«
Als Driscoll sein Handy einsteckte, dachte er an den Schwall von Fragen, der soeben auf ihn eingeströmt war. Was ging es die Reporter an, ob Miss Stockard schwanger gewesen war oder nicht? Diese spezielle Frage fand er unangebracht. Sie diente lediglich dazu, die Sensationsgier der Zeitungsmacher zu befriedigen. Wie jämmerlich und grob Menschen sein konnten, dachte er, während er auf die Aufzüge zuging, von denen ihn einer nach oben in die Einsatzzentrale bringen sollte.
Auf der Fahrt in den vierzehnten Stock klingelte sein Handy erneut. Diesmal war es Larry Pearsol. Er teilte Driscoll mit, dass er die DNA des Stockard-Fötus mit der Liste der bekannten Sexualverbrecher abgeglichen, jedoch keinen Treffer erzielt habe.
Das Glück war Driscoll heute nicht hold. Vielleicht am nächsten Tag.
26. KAPITEL
Driscoll saß am Steuer seines Chevy und war auf dem Weg zur East Ninety-fourth Street 128, der Wohnung von Amelia Stockard. Butler und Vittaggio waren auf unerwartete Schwierigkeiten gestoßen. Der Hausverwalter hatte es abgelehnt, die beiden Detectives ohne Durchsuchungsbefehl in die Wohnung der Ermordeten zu lassen.
Liz Butler hatte sich deshalb mit Andrea Gerhard in Verbindung gesetzt, einer angehenden Staatsanwältin. Da man nicht wusste, wo Amelia Stockard umgebracht worden war, hatte sich Ms. Gerhard in der Annahme,
dass Tote keinen Anspruch mehr auf Privatsphäre erheben, bereit erklärt, einen Tatort-Durchsuchungsbefehl für die Stockard-Wohnung auszustellen. Thomlinson hatte bereits einen Beamten in ihr Büro geschickt, um den Durchsuchungsbefehl abzuholen und ihn von Richter Creedey unterzeichnen zu lassen. Noch ehe Driscoll an dem Haus in der East Ninety-fourth Street anlangte, befand sich das unterzeichnete Dokument, dessen Gültigkeit von einem dazu befugten Beamten bestätigt worden war, in den Händen von Detective Butler. Doch als Driscoll vor dem sechsstöckigen Gebäude anhielt, standen Butler und Vittaggio davor auf dem Gehweg.
»Was machen Sie denn hier draußen?«, fragte Driscoll. »Sie haben doch den Durchsuchungsbefehl, oder?«
»Ja, schon. Aber wir haben es trotzdem für das Beste
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