Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
Vom Netzwerk:
Tasche. »Wirkt Wunder«, versprach sie augenzwinkernd.
    In diesem Moment bat Mr. Tiernan seine Gäste, sich an den wunderschön gedeckten Tisch zu setzen.
     
    »Die Erin Society wurde 1952 von Sean McManus gegründet, einem irischen Bergarbeiter aus Pennsylvania«, berichtete Seamus Tiernan seinen Gästen nach der Vorspeise. »Die Sektion für den Staat New York entstand in Hankins, einem Ort in Sullivan County. Dort hat McManus ein Seminar für die Ausbildung druidischer Priester gegründet. Aber sie sind mittlerweile in den Untergrund gegangen.«
    »Warum das?«, fragte Driscoll.
    »Theologische Differenzen.«
    »Sie sagten, Sie seien einmal bei ihnen gewesen. Haben Sie einem ihrer Gottesdienste beigewohnt?«
    »Das wäre ein Fall für den Tierschutzverein gewesen«, rief Moira aus der Küche, wo sie hinzitiert worden war, um ihrer Mutter mit dem Hauptgang zu helfen.
    »Weshalb denn?«, wollte Driscoll wissen.
    »Sie haben einen Mann aus Weidengeflecht gebaut, ihn mit lebenden Hähnen gefüllt und im Morgengrauen zu Ehren der aufgehenden Sonne in Brand gesteckt. Reizend, oder?«
    »Moira sagt die Wahrheit«, ergänzte Seamus Tiernan. »Ich habe sie einmal dorthin mitgenommen, als sie acht war.«
    »Nächstes Mal will ich aber nach Disney World«, verlangte Moira.
    »Hatten Sie nicht gesagt, Sie seien seit 1988 nicht mehr dort gewesen?«, hakte Driscoll nach.

    »Ich habe den kleinen Abstecher mit meiner Tochter vergessen. Eine Fahrt, die ich bereue. Der Ort war für kleine Mädchen völlig ungeeignet.«
    »Vielleicht sollte man ihnen mal wieder einen Besuch abstatten«, sinnierte Driscoll.
    Die Küchentür schwang auf, und Moira erschien mit einer Platte gegrillter Hühnerflügel.
    »Reine Zeitverschwendung«, erklärte sie.
    »Wie meinst du das?«
    »Typen, die darauf stehen, Hähne zu verbrennen, stehen nicht auf Mord.«
    Eisiges Schweigen senkte sich über den Tisch.
    »Sie denkt sogar schon wie eine Polizistin«, sagte Mrs. Tiernan.
    »Brauchen Sie noch eine Assistentin?«, fragte Moira grinsend.
    »Ach du liebe Zeit«, stöhnte Margaret.

35. KAPITEL
    Driscoll saß an seinem Schreibtisch und betrachtete die Fotos der sterblichen Überreste des letzten Opfers. Wie konnte ein Mensch einem anderen Menschen nur so etwas antun? Und was hatte es damit auf sich, dass die Leiche auf der Mülldeponie abgelegt worden war?
    Margaret steckte den Kopf zur Tür herein und unterbrach seine Grübeleien. »Sie hat sich verspätet«, sagte sie.
    »Wer?«
    »Die kleine Überfliegerin.«
    »Wer wird denn so pingelig sein?«

    »Du hast gesagt Punkt fünf! Und jetzt ist es Viertel nach fünf.«
    Driscoll bedeutete Margaret, dass sie hereinkommen und neben seinem Schreibtisch Platz nehmen solle.
    »Du magst die kleine Miss Computerhirn nicht, was?«
    »Für meinen Geschmack ist sie ziemlich altklug. Aber ich habe den Verdacht, dass du irgendwie eine Schwäche für die Kleine entwickelt hast.«
    »Wenn ich ehrlich bin, erinnert sie mich an Nicole.«
    Driscoll sah das lächelnde Gesicht seiner Tochter vor sich. Er dachte an die Wärme, die er gespürt hatte, wenn Nicole ihn bei der Hand nahm. Eine Erinnerung stieg in ihm auf aus der Zeit, als Nicole noch nicht ganz drei war. Er war mit ihr im Spielzimmer gewesen. »Daddy, tomm«, hatte sie gebettelt, ihre kleinen Finger um seine geschlungen. »Du nimms die delben«, hatte sie ihn angewiesen und ihm ein gelbes Klötzchen mit einem T darauf hingehalten. »Bauen, Daddy, bauen.« Driscoll setzte sich auf den Boden und stellte T auf S und S auf E, bis der kleine Turm aus gelben Bauklötzen fertig war. Nicole baute mit den blauen. Als beide Säulen standen, formte Nicole mit den Lippen ein kleines O und signalisierte Driscoll damit, dass er die Türme umpusten solle. Als er ihren Wunsch erfüllte, kicherte sie und strahlte übers ganze Gesicht.
    »Genau wie jetzt«, sagte Margaret.
    »Was, jetzt?«
    »Nicole. Du denkst an Nicole.« Ihre Stimme war voller Mitgefühl. »Du siehst immer ganz melancholisch aus, wenn du an deine Tochter denkst. Wusstest du das nicht?« Eine winzige Träne bildete sich in Driscolls
Augenwinkel. »Das ist doch völlig verständlich«, fuhr Margaret mit gesenktem Blick fort. »Ich wünsche mir ja genauso jemanden, der die Albträume meiner Vergangenheit ein für alle Mal löscht.«
    »Du weißt, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe.«
    »Vergiss es. Mir fehlt nichts. Ich bin zurzeit nur ein bisschen mitgenommen. Weiter nichts.« Margaret rutschte auf

Weitere Kostenlose Bücher