Der Knochendieb
Menschenleben?«
»Das ist Ihr Job, Lieutenant, nicht meiner.«
»Wenn ich nicht der Meinung wäre, dass Sie mir dabei helfen könnten, wäre ich nicht hier.«
»Na gut. Schießen Sie los.«
»Gibt es praktizierende Druiden? Irgendwo zwischen New York, New Jersey und Connecticut?«
Tiernan griff nach seiner Pfeife und stopfte sie mit einer aromatischen Tabakmischung. Eine Flamme schoss aus seinem teuren Feuerzeug, als er die Pfeife anzündete. »Kann schon sein«, antwortete er zögerlich.
»Das bringt mich nicht weiter. Gibt es welche oder nicht?«
»Ich muss jetzt wirklich arbeiten. Würden Sie mich bitte entschuldigen?«
Driscoll zog mehrere Polaroidfotos von den Leichenfundorten aus der Tasche. »Nein, ich entschuldige Sie nicht«, blaffte er und warf die Fotos auf Tiernans Schreibtisch. »Hier, Professor. Das ist sein Werk. Helfen Sie mir jetzt?«
Tiernans einstudierte Gelassenheit fiel in sich zusammen. Er schien vor Driscolls Augen förmlich zu schrumpfen. »Oh mein Gott«, stöhnte er. »Oh mein Gott!«
»Also, Professor?«
»Es gibt eine Geheimgesellschaft. Sie treffen sich in einer kleinen Stadt namens Fremont Center im Norden des Staates New York. In meiner fanatischen Phase habe ich sie einmal besucht. Druiden mit Stammbäumen, die bis ins alte Irland zurückreichen. Aber ich weiß nicht, ob es die Gesellschaft überhaupt noch gibt.«
»Wann waren Sie zum letzten Mal dort?«
»Weihnachten 1988. Zur Wintersonnenwende. Seitdem nicht mehr.«
»Können Sie mich dort einschleusen?«
»Glaube ich kaum. Seit ich meine Kinder habe taufen lassen, schneiden mich die Mitglieder.«
Verlegenes Schweigen senkte sich zwischen die beiden Männer.
»Lieutenant?«, stieß Tiernan hervor, den Blick auf die Fotos gerichtet.
»Ja, Professor?«
»Ich fühle mich momentan nicht wohl. Vielleicht könnten wir unser Gespräch ein andermal fortsetzen. Möchten Sie am Samstag zum Abendessen zu mir nach Hause kommen?«
»Danke, Professor«, sagte Driscoll, während er sich fragte, warum Tiernan eine solche Geste gemacht hatte. »Ich würde gern eine Kollegin mitbringen. Wenn es Ihnen recht ist.«
»Aber gern. Falls Sie sich über die Einladung wundern - meine Frau schreibt nebenher Krimis. Es wäre ihr eine große Freude, zwei echte Fahnder der Mordkommission kennen zu lernen.«
»Also dann bis Samstag«, sagte Driscoll.
»Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Lieutenant?«
»Sicher, Professor. Was denn?«
»Lassen Sie die Bilder zu Hause.«
33. KAPITEL
»Das Schicksal greift ein, würde ich sagen«, bemerkte Margaret und setzte sich auf den Beifahrersitz von Driscolls Chevy. Die beiden waren auf dem Weg zum Abendessen bei Professor Tiernan.
»Wie das?«, erkundigte sich Driscoll.
»Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber soweit ich mich erinnere, haben wir das letzte Mal, als wir gemeinsam in diesem Auto saßen, davon gesprochen, uns mal zu verabreden.« So. Nun hatte sie es gesagt. Eine innere Stimme flüsterte ihr zu, dass sie ein Risiko einging, doch dieselbe innere Stimme bestand auch darauf, dass sie sämtliche Warnflaggen ignorierte und den ersten Schritt wagte, ganz egal, wie verletzlich sie sich dabei fühlen mochte.
»Und?«
»Und? Was machen wir denn gerade?«
»Sieh doch mal auf die Uhr. Unser Dienst hat vor zwei Stunden begonnen. Diese angebliche Verabredung ist Teil polizeilicher Ermittlungen.«
War es ein Fehler gewesen, sie zu diesem Abendessen einzuladen? Es war tatsächlich Teil ihrer Arbeit, aber hätte er nicht wissen müssen, dass Margaret falsche Schlüsse daraus ziehen würde? Und worin bestand sein eigener Anteil daran? Ging er etwa unbewusst auf Margarets Avancen ein? Und wenn ja, war er dann seiner Frau untreu? Er hatte gelobt, Colette treu zu sein, in guten wie in schlechten Tagen. Es war eine Sache, sich in der Fantasie der Untreue hinzugeben, jedoch etwas ganz anderes, gefährlich nahe am Rand dieser hedonistischen Verlockung entlangzutänzeln. Denn nichts anderes tat er.
»Du hättest auch allein hinfahren können«, sagte Margaret.
»Stimmt. Ich hätte allein hinfahren können.« Verdammt! Ich hätte allein hinfahren sollen.
»Aber du hast mich mitgenommen.« Margaret rutschte nervös auf ihrem Sitz herum. »Und damit ist es eine Verabredung.«
Was Margaret sagte, war nicht von der Hand zu weisen, das wusste Driscoll. Er hatte Margaret gebeten, ihn zu diesem Abendessen zu begleiten, weil er etwas für sie empfand. Dass das Ganze Teil polizeilicher Ermittlungen
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