Der Knochendieb
war, hatte Driscoll beim Umgang mit seinen Schuldgefühlen geholfen. Doch seine Gefühle für Margaret waren echt. War er bereit, sich ihr oder überhaupt jemandem zu öffnen? Nein, verdammt noch mal! Fürs Erste würde er schweigend weiterleiden.
An der Bay Ridge Avenue hielt er an einer roten Ampel
und wandte sich ihr zu. »Wir sind Polizisten, die in einer brutalen Mordserie ermitteln. Nun sind wir von jemandem, der uns bei unseren Ermittlungen helfen könnte, zum Essen eingeladen worden. Alles andere, was du dir dabei denkst, ist Teil deiner ausgesprochen lebhaften Fantasie.«
»Hör mal, ich weiß, dass du mein Chef und außerdem verheiratet bist. Das weiß ich nur zu gut, aber ich kann das, was ich für dich empfinde, nicht einfach abschalten, als wäre es gar nicht da, und ich weiß, dass du es in deinem tiefsten Inneren auch nicht kannst.«
»Okay. Wie du willst. Aber fürs Erste halten wir unsere Gefühle am besten aus unseren Ermittlungen heraus. Können wir uns darauf einigen?«
»Sicher.«
34. KAPITEL
Die Bögen über der weißen Tür hätten eher zu einem Londoner Stadthaus gepasst als zum Wohnhaus eines irischen College-Professors.
Die Frau, die im Lichtschein des Deckenfluters aus dem Wohnzimmer stand, war eine ätherische Erscheinung mit hellem Haar und wasserblauen Augen. Sie hielt dem Lieutenant ihre lange, schlanke Hand hin. »Eileen Tiernan«, sagte sie leise.
»Ich bin der Einladung Ihres Gatten gefolgt und habe Sergeant Margaret Aligante mitgebracht.« Margaret wandte den Blick nicht von Driscoll ab, als man sie ins Haus geleitete.
»Seid ihr von der Polizei?«, platzte ein kleiner Junge
heraus, der gerade ins Zimmer gestürmt war. »Steckt ihr Timothy ins Gefängnis?«
»Das ist Ryan«, erklärte Mrs. Tiernan. »Und Timothy ist Ryans Bruder. Timothy stibitzt Ryans Spielsachen.«
Wie ein Kobold steckte ein zweites Kind den Kopf zur Tür herein. Mit weit aufgerissenen Augen starrte es die Eindringlinge an.
»Und das ist Timothy«, sagte Mrs. Tiernan.
»Du kommst ins Gefängnis. Du kommst ins Gefängnis«, johlte Ryan.
Timothys Kopf verschwand.
»Hoffentlich sind Sie nicht in einen Stau geraten«, sagte Seamus Tiernan, der in diesem Moment mit einem japanischen Hackmesser in der Hand den Raum betrat.
»Das ist unser Mann, John. Er hält sogar die Mordwaffe in der Hand.« Margaret grinste breit.
»Ich gestehe, dass ich mit den Karotten keine Gnade gekannt habe. Vielleicht noch eine Runde Jameson vor meiner Verhaftung?«
»Wir dürfen dem Schuldigen seinen letzten Wunsch nicht abschlagen.«
Tiernan verteilte die Drinks.
Ohne Vorwarnung kam ein geflügeltes Wesen herabgestoßen, nahm einen Schnabel voll von Driscolls Whiskey und hockte sich auf eine Vorhangstange, um von dort aus auf die Gäste herabzusehen.
»Mein Vogel steht auf Partys«, erklärte eine weitere Person, die soeben die Treppe herunterkam. Sie betrat den Raum und bedeutete dem Tier, sich auf ihre Schulter zu setzen. »Das ist Chester. Er ist ein Rotschnabeltukan aus Ost-Kolumbien. Und Sie sind bestimmt Lieutenant Driscoll.«
»Genau.«
Driscoll musterte die junge Frau. Sie trug changierende Wimperntusche, rotbraunes Rouge, das ihre Wangenknochen akzentuierte, und Lippenstift in einem dunklen Orange. Ein winziger Rock endete über schlanken Beinen. Driscoll schätzte sie auf vierzehn, fünfzehn. Sie strahlte großes Selbstbewusstsein aus und lächelte auf eine Weise, die zu sagen schien: »Ich bin hier. Und ich verdiene Aufmerksamkeit.« Trotz allem war Driscoll von ihr angetan. Was Margaret wohl für einen Eindruck hatte?
»Hat jemand Chester abgerichtet?«, fragte er.
Der Vogel krächzte, als er seinen Namen hörte, und vollführte eine Attacke auf Margarets Drink.
Erst mein Glas und dann das von Margaret, dachte Driscoll. War das eine Art Zeichen? Margaret würde es sicher so deuten.
»Er nimmt nur Anlauf zu seinem großen Finale«, verkündete seine Besitzerin stolz.
»Kann er etwa singen und tanzen?«, erkundigte sich Margaret. »Mit diesem Schnabel sieht er ein bisschen aus wie Jimmy Durante.«
»Chester wird Ihnen bestimmt Gelegenheit geben, selbst zu urteilen. Und jetzt möchte ich Ihnen ohne große Vorreden, direkt aus Lateinamerika, Chester präsentieren, den Oliver Hardy der Schwerelosigkeit.«
Wie auf ein Stichwort flatterte der Vogel mit schräg gelegten Schwingen los und rülpste einmal laut, ehe er mitten in der Luft eine Pirouette drehte wie ein betrunkener Matrose und mit einem
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