Der Knochendieb
verwunderter Blick legte sich auf Driscolls Miene. »Du bist die zweite Frau innerhalb von zwei Tagen, die das sagt.«
»Also, ich frage dich jetzt nicht, wer die andere hellsichtige Visionärin ist, aber glaub mir, angesichts der Umstände würde deine Frau es verstehen.«
»Ein Teil von mir glaubt das auch langsam, doch der größere Teil verlangt nach Bestrafung.«
»Buße? Du willst Buße tun? Du bist viel zu streng mit dir selbst.«
»Ich brauche Freiraum, eine emotionale Ruhepause, damit ich mir über alles klar werden kann. Und jetzt lass uns erst mal ganz normal weiterleben und unsere Energie wieder dem Fall widmen.«
»Okay, machen wir. Aber du brauchst dich nicht selbst zu geißeln. Glaub mir. Ich weiß, dass ich mit meiner Vermutung, was Colette denken würde, richtigliege.« Zumindest hoffe ich das, sagte ihre innere Stimme, während sie fieberhaft nachdachte.
»Freiraum. Nur ein bisschen Freiraum. Okay?«
»Genehmigt.«
Das Telefon klingelte. »Driscoll hier«, meldete sich der Lieutenant.
»Ich muss mit Ihnen reden.« Moiras Stimme klang angespannt.
»Dann mal los.«
»Nicht am Telefon. Ich habe kein Vertrauen zu AT&T.«
»Moira, du hast dir einen ungünstigen Moment ausgesucht.«
»Im Empress Diner gibt es sagenhafte Cheeseburger mit Bacon.«
»Was willst du?«
»Ich hab Ihnen doch schon gesagt, dass ich darüber am Telefon nicht rede.«
»Dann komm in mein Büro.«
»Ihr Büro ist wie Grand Central Station in der Stoßzeit. Da kann man sich nicht unterhalten.«
»Schick mir eine E-Mail.« Driscoll klemmte sich das Telefon unters Kinn und rang die Hände.
»Geben Sie mir zehn Minuten. Im Empress Diner.«
»Fünf müssen reichen. Und ich hoffe in deinem Interesse, dass es sich für mich lohnt.«
39. KAPITEL
Die Bedienung grinste Driscoll anzüglich an, als er gegenüber dem jungen Mädchen in die Nische rutschte.
Moira sah Nicole tatsächlich ähnlich. Je öfter er sie sah, desto mehr fühlte er sich an seine Tochter erinnert. Die Ähnlichkeit war schon fast unheimlich. »Hier bin ich«, begrüßte er sie. »Was wolltest du mir sagen?«
»Ich weiß es«, flüsterte sie, ehe sie einen Schluck von ihrem Cherry Coke nahm.
»Du weißt was?«
»Ich weiß, wie er sie findet.«
»Du weißt, wie wer sie findet?«
»Der Mörder. Ich habe ein Programm entwickelt und die Daten analysiert.«
»Welche Daten?«
»Die aus Ihren Akten.«
»Verdammt noch mal, Moira! Die Akten sind Eigentum der Polizei!«
»Wussten Sie, dass sämtliche Opfer Mitglieder eines Online-Dienstes waren?«
»Ja. Na und? Das gilt fürs halbe Land.«
»Ich glaube, der Typ lockt die Frauen übers Internet an«, fuhr sie fort. Sie wusste genau, dass das Gurgeln ihres Strohhalms ihn irritierte. »Ich könnte Kontakt zu ihm aufnehmen.«
»Kontakt zu ihm aufnehmen! Moira, wenn du Recht hast und er seine Opfer übers Internet anlockt, glaubst du dann wirklich, dass es klug wäre, Kontakt zu ihm aufzunehmen? Mann, ich würde nicht mal meine beste Undercoverfahnderin ohne massive Rückendeckung in die Höhle des Löwen schicken.«
»Ich nehme meinen Auftrag eben ernst und tue, was getan werden muss.«
»Auftrag? Welchen Auftrag?«
»Inoffizielle Agentin ermittelt im Fall Nummer 29AW16.«
»Oh, Gott.«
»Vielleicht flirtet er in einem Chatroom mit ihnen, doch das bezweifle ich. Ich vermute eher, dass er einen
Köder an einem elektronischen Schwarzen Brett platziert hat. So werden Tausende von Frauen weltweit auf ihn aufmerksam.«
»Ein globaler Serienmörder? Das ist nur schwer vorstellbar. Ich glaube, du hängst dich ein bisschen zu weit aus dem Fenster.«
»Da die Morde alle hier vor Ort geschehen sind, können wir mit den New Yorker Anzeigen beginnen. Mein Programm wird das Frettchen ausfindig machen. Ich habe die Liste von Anzeigen schon auf 1876 eingedampft. Ab da müssen Sie übernehmen.«
»Und zwar wie?«
»Sie können Ihre Sonderkommission die Suche weiter betreiben lassen.«
Vielleicht hatte das junge Mädchen tatsächlich eine Spur gefunden. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Krimineller das Internet als Spielwiese benutzte. Und falls Moira Recht hatte, wäre es noch dazu eine sehr tödliche Spielwiese. Jedenfalls war es kein geeignetes Umfeld für eine Vierzehnjährige.
Driscoll wusste, was er zu tun hatte, nämlich das Mädchen beschützen. »Moira, ich will, dass du die Finger von dem Fall lässt.«
»Ohne mich werden Sie aber nicht zum Captain befördert.«
»Ich werde die Möglichkeiten
Weitere Kostenlose Bücher