Der Knochendieb
unter die Lupe nehmen, die deine Theorie aufwirft. Aber wir haben es hier mit einem grausamen Mörder zu tun. Das Letzte, was ich will, ist, dass du versuchst, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Wenn du unseren Täter tatsächlich ausfindig machst, begibst du dich in Lebensgefahr.«
»Ich kenne die Haupt- und Nebenwege im Internet besser
als irgendjemand sonst. Und ich sage Ihnen, ich kann Kontakt zu ihm kriegen.«
»Und ich verbiete es. Das ist kein Umfeld für ein vierzehnjähriges Mädchen.«
»Das ist es also, oder?«
»Was ist es?«
»Sie vertrauen mir nicht, weil ich noch ein Kind bin. Ihr Erwachsenen seid alle gleich. Ihr habt Angst davor zuzugeben, dass ein Kind mehr wissen könnte als ihr.«
»Ich gebe ja zu, dass du mich mit deinem Computerwissen schwer beeindruckst. Aber ich kann nicht zulassen, dass du dich in Gefahr begibst.«
»Ich bin mir sicher, dass ich Recht habe, was den Täter betrifft. Sämtliche toten Frauen waren Mitglieder bei einem Online-Service.«
»Aber nicht alle beim gleichen.«
»Das spielt keine Rolle. Sie hatten alle Zugang zum Internet.«
»Ich verspreche dir, dass ich der Sache nachgehen werde. Aber in der Zwischenzeit möchte ich, dass du jeden Versuch unterlässt, selbst Kontakt zu dem Kerl aufzunehmen.«
»Okay«, sagte sie widerwillig und rutschte aus der Nische.
»Und Moira …«
»Ja?«
»Finger weg von den Polizeiakten. Wenn ich dich noch mal dabei erwische, wie du darin herumschnüffelst, lasse ich dich einbuchten.«
Der Lieutenant lehnte sich in der leeren Nische zurück und dachte über das Gespräch nach. Konnte Moira Recht haben? Er zückte sein Mobiltelefon und gab seine Büronummer
ein. Margaret meldete sich. »Versuch, so viel wie möglich über die Online-Dienste der Opfer herauszufinden«, sagte Driscoll.
»Stammt das von dir, John? Oder von unserem Wunderkind?«
»Moira glaubt, unser Killer könnte seine Opfer übers Internet anlocken.«
»Das wäre nicht das erste Mal. Glaubst du, sie ist auf der richtigen Spur?«
»Sie hat zumindest eine mögliche Richtung vorgegeben. Es wäre idiotisch von uns, das zu ignorieren.«
»Ich kümmere mich gleich darum.«
40. KAPITEL
Driscoll musterte das hölzerne Kruzifix an der Wand des nur matt erleuchteten Sprechzimmers im Pfarrhaus von St. Mary’s Star of the Sea. Er hatte feuchte Hände und glaubte, sein Herz klopfen zu hören. Elizabeth Fahey hatte Recht gehabt. Was ihm schwer auf der Seele lastete, waren Schuldgefühle. Irisch-katholische Schuldgefühle. Und mit wem könnte man besser über solche Schuldgefühle sprechen als mit einem irisch-katholischen Priester? Also hatte sich Driscoll umgehört. Liz Butler, die in Rockaway wohnte, war praktizierende Katholikin und hatte ihm versichert, dass ihr Pfarrer ein modern denkender Mann war. Driscoll hatte im Pfarrhaus angerufen und einen Termin bei Father Sean McMahon vereinbart.
Der Lieutenant stand auf, als der Pfarrer hereinkam. McMahon war jung und hatte einen frischen Teint, der
gut zu seinem runden irischen Gesicht passte. Driscoll schätzte ihn auf Mitte dreißig.
»Guten Tag, Lieutenant. Willkommen in St. Mary’s«, sagte McMahon und bedeutete Driscoll, neben einem mit aufwendigen Schnitzereien verzierten Mahagonitisch Platz zu nehmen.
»Danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich genommen haben.«
»Keine Ursache.«
»Ich muss Ihnen gleich sagen, Father, dass es eine halbe Ewigkeit her ist, seit ich in einem Pfarrhaus gewesen bin, und fast genauso lang seit meinem letzten Gottesdienst.«
McMahon lächelte. »Freut mich, dass Sie zurückgekehrt sind.«
»Am liebsten möchte ich sofort auf den Punkt kommen, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich habe das Gefühl, als würde ich gleich platzen.«
»Das würde unserer Putzfrau aber gar nicht gefallen.«
Driscoll war froh, dass der Pfarrer Humor hatte. »Ich möchte mit Ihnen über meine Schuldgefühle sprechen. Meine Frau Colette hatte vor sechs Jahren einen Autounfall. Dabei kam unsere Tochter Nicole ums Leben, und meine Frau fiel ins Koma. Laut ihren Ärzten wird sie nie wieder das Bewusstsein erlangen.«
»Tut mir leid, das zu hören.«
»Ich bin meiner Frau treu geblieben, Father. Jedenfalls bis vor kurzem.« Driscoll suchte im Gesicht des Priesters nach Anzeichen dafür, dass er ihn verurteilte. Als er keine fand, fuhr er fort. »Ich habe mich mit einer Arbeitskollegin angefreundet. Sie heißt Margaret. Sie ist ein guter Mensch und versteht meine Lage. Das Problem ist
nun, dass ich
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