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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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»Sie heißt Margaret.« Sein Geständnis wurde mit Schweigen quittiert.
    Er beugte sich vor, drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn und strich ihr zwei widerspenstige Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Ich kenne sie aus der Arbeit. Sie und ich ermitteln gemeinsam in einem Fall. Sie hat mich gern und würde unsere Beziehung gern vertiefen.«
    Driscoll stand auf und trat an die Schrankwand, in der es ein kleines Weinregal und Platz für ein paar Flaschen Spirituosen gab. Er schenkte sich zwei Fingerbreit Tullamore Dew ein und kehrte ans Bett seiner Frau zurück. Während er bedächtig an seinem Glas nippte, hoffte er, der Whiskey werde ihm den Mut geben, ihr zu sagen, was gesagt werden musste. Jetzt musste er einfach über seinen eigenen Schatten springen. »Sie möchte unsere Beziehung vertiefen«, wiederholte er. »Und ich möchte das ebenfalls.«
    Auch dieses Bekenntnis stieß auf Schweigen. Halb hatte er erwartet, seine Frau werde sich aufrichten und ihn wegen seiner egoistischen Verfehlung scharf zurechtweisen. Irgendwie hatte Driscoll gehofft, seine Offenbarung werde Colette ins Bewusstsein zurückholen, ihr erlauben, sich dem Würgegriff zu entwinden, der sie so erbarmungslos in seinen Klauen hielt. Doch natürlich war dies nicht der Fall.
    Er lehnte sich vor und stützte den Kopf auf die Hand, in Gedanken bei der einst so lebenslustigen Colette, einer wunderbaren, gutherzigen Frau, die alles für ihn getan hätte.
    Vor seinem geistigen Auge lief eine Art Film ab. Es war eine Vision von Colette, seiner geliebten Frau, die ihn anlächelte
und bei der Hand nahm. Du arme Seele, hörte er sie sagen. Du arme, geplagte Seele. Es ist schon in Ordnung, mein Lieber. Ich weiß, dass du mich liebst und mich immer lieben wirst. Aber es ist jetzt an der Zeit, nach vorn zu schauen. Über meine Krankheit hinaus. Über deine Sorgen hinaus. Es ist an der Zeit, unter den Lebenden zu leben, mein Liebling.
    Etwas durchzuckte ihn, ganz ähnlich dem Adrenalinstoß, den er bei der Festnahme eines Kriminellen empfand, ehe sich völlige Ruhe in ihm ausbreitete. Er hatte gefürchtet, seine Schuldgefühle würden ihn niederstrecken, doch er hatte sich geirrt. Er fühlte sich erleichtert. Und tief in seinem Herzen wusste er, dass sie ihn verstand.

42. KAPITEL
    Der fünfjährige Junge steckte den Kopf aus dem rechten hinteren Fenster des Maxima. »Wuoh! Wuoh!«, machte er und ahmte damit die Sirenen der Einsatzfahrzeuge nach, die in der Ferne zu hören waren.
    Die Mutter des Jungen lenkte die Limousine in die East Fifty-seventh Street. So wären es zwar vier Häuserblocks mehr bis zur Mill Avenue, doch der Umweg lohnte sich, um dem Stau zu entgehen.
    Auf einmal ertönte ein Piepen, das sie zusammenzucken ließ. »Was war das? Robbie, hast du deinen Sicherheitsgurt aufgemacht?«
    »Nein, Mom.«
    Der Junge schob eine Hand in die Jackentasche und zog einen Telefonpager heraus.

    »Wo hast du das her?«, wollte seine Mutter wissen, während sie sich nach hinten drehte und das Ding musterte.
    »Hab ich gefunden.«
    »Gefunden? Wo denn?«
    »Im Einkaufszentrum. Im Bonbonladen.«
    »Bei Sweet Delights?«
    »Mhm.«
    »Aber das war letzte Woche.«
    Der Junge zuckte die Achseln.
    Eine Telefonnummer stand im Display. Sie wählte die Nummer auf ihrem Handy.
    »Hallo?«, meldete sich ein Mann.
    »Hallo! Haben Sie gerade jemanden angepiepst?«
    »Ah! Dann haben Sie wohl meinen Pager gefunden. Ich wähle die Nummer schon seit Tagen.«
    »Mein Sohn hat ihn gefunden.«
    »Gott sei Dank! Wo sind Sie?«
    »Auf dem Belt Parkway. Geben Sie mir doch Ihre Adresse, dann schicke ich Ihnen den Pager gern zu.«
    »Sind Sie in der Nähe von Ausfahrt zehn? Dann könnten wir uns im Lobster Trap treffen. Das ist ein tolles neues Lokal an der Emmons Avenue. Dort kann ich mir den Pager persönlich abholen und mich bei Ihnen bedanken.«
    »Das ist das netteste Angebot, das ich seit Wochen bekommen habe. Aber ich kann nicht. Ich bin Geigenlehrerin, und meine Klasse gibt am Sonntag ein Konzert. Ich muss heute Abend, morgen und am Sonntagvormittag mit ihnen üben. Ich bringe nur gerade meinen Sohn zu seiner Großmutter.«
    »Ach, sind Sie alleinerziehend?«

    »Ähm, ja.«
    »Na, da haben wir schon was gemeinsam. Kommen Sie, wir wollen doch das Schicksal nicht brüskieren.«
    »Langsam kommt es mir vor, als wollten Sie sich mit mir verabreden.«
    »Nein, ich bin nur dankbar.«
    »Also gut, warum eigentlich nicht. Ich habe aber nur Zeit für einen Cocktail. Und zuerst

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