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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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fischen. Das letzte Opfer ist ausgeweidet und in eine Mülltüte gestopft worden.«

    »Komisch, aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass sich der Typ erst warmläuft.«
    »Das fürchte ich auch.«
    »Der Kerl verabscheut Fleisch. Weibliches Fleisch. Ich vermute, seine Verbrechen sind nicht sexuell motiviert, jedenfalls nicht im gängigen Sinne. Er sammelt etwas, was er braucht und will, und sucht bei jeder Frau etwas Hartes, Unzerstörbares in der Weichheit. Ihre Knochen. Zerlegt er sie gekonnt?«
    »Mit Anatomie kennt er sich jedenfalls aus. Was glauben Sie, was seine Motive sind?«
    »Hat Dschingis Khan ein Motiv gebraucht, um Berge aus menschlichen Schädeln aufzuhäufen? Wir könnten es hier mit der Variante eines archaischen Kriegsrituals zu tun haben, bei dem Frauen die Beute darstellen. Er weidet sie aus und nimmt ihre Skelette als Geiseln. Was er allerdings mit Köpfen, Händen und Füßen anfängt, ist mir ein Rätsel … Doch es ist gut denkbar, dass dieser Wilde eine Art Trophäenraum hat, ein intimes Museum mit den Souvenirs seiner Expeditionen. Dort lagert er seine menschlichen Medaillen. Sie müssen diese Schatzkammer finden, die Galerie, in der er seine Beute ausstellt.«
    »Das klingt wie Grundkurs Anthropologie, erstes Semester.«
    »Allerdings. Er orientiert sich an seinen Vorfahren, den Neandertalern.«
    »Soll ich also nach einem Typen Ausschau halten, der sich in Tierhäute hüllt und eine Steinaxt schwingt?«
    »Wahrscheinlich trägt er eher Armani.«
    »Dann muss ich eben das Tier hinter dem breiten Revers zu fassen kriegen.«

    »Hoffentlich fassen Sie ihn bald.«
    »Ist er heilbar?«
    »Die Prognosen sind nicht günstig.«
    »Dann habe ich keine Wahl. Ich muss ihn zur Strecke bringen.«
    »Das würde ich Ihnen empfehlen.«
    Driscoll sah erschrocken auf. »Ist meine Stunde schon um?«
    »Seit zwanzig Minuten.«
    »Danke für die Verlängerung«, sagte er und erhob sich. »Wie immer fühle ich mich nach einem Besuch bei Ihnen besser.«
    »Denken Sie noch ein bisschen über das nach, was ich über Colettes Wünsche gesagt habe. Die Ärzte sind doch einer Meinung, was ihren Zustand angeht, oder? Sie wird nie aus dem Koma erwachen.«
    Driscoll starrte sie ausdruckslos an.
    Elizabeth fuhr fort. »Aber Sie glauben ihnen nicht, stimmt’s?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Sie haben diesen Wunschtraum noch nicht aufgegeben, oder? Sie glauben, sie wird sich irgendwann von ihrem Bett erheben und Ihnen einen feinen französischen Kaffee kochen. Seien Sie ehrlich. Sie warten nur auf diesen Tag.«
    »Und Sie geben niemals auf. Oder?« Driscoll lächelte grimmig.
    »Was wäre ich für eine Therapeutin, wenn ich das täte?«

38. KAPITEL
    Margaret und Driscoll saßen erneut vor den Monitoren der Polizeicomputer in der Einsatzzentrale. Sie taten so, als durchforsteten sie das Internet, doch in Gedanken waren sie ganz woanders. Keiner von beiden wusste etwas zu sagen, und ihr verlegenes Schweigen wurde nur durch das Klappern der Tastatur unterbrochen.
    Da kam Thomlinson herein. Ein finsterer Blick von Margaret sagte ihm, dass er in ein Minenfeld getreten war.
    »Wir sprechen uns später«, sagte er und schlüpfte wieder hinaus.
    Margaret hob die Finger von der Tastatur und vollführte eine Hundertachtzig-Grad-Wendung auf ihrem Drehstuhl. »Ich finde, wir sollten darüber reden«, sagte sie. »Durch Ignorieren löst es sich auch nicht in Luft auf.«
    »Du hast Recht. Wir müssen darüber reden.«
    »Ich bereue jedenfalls nicht, dass es passiert ist. Du?« Bitte sag nein.
    »Dass ich es bereue, würde ich nicht sagen. Aber trotzdem habe ich mit Schuldgefühlen zu kämpfen.«
    »Das ist ein gutes Zeichen. Es heißt nämlich, dass du ein Gewissen hast. Aber geh nicht zu streng mit dir selbst ins Gericht. Du bist doch nur deinen wahren Gefühlen gefolgt. Oder?«
    »Ja, ich bin meinen wahren Gefühlen gefolgt, aber diese Gefühle hätte ich gar nicht haben dürfen. Ich bin verheiratet.«
    Daran musste sie nicht erst erinnert werden. »Gefühle
sind Gefühle. Sie sind weder gut noch schlecht. Es sind einfach Gefühle. Du solltest dir nicht vorwerfen, sie zu haben.«
    Driscoll betastete seinen Ehering. »Es ist eine Sache, Gefühle zu haben. Aber es steht auf einem ganz anderen Blatt, sie auszuleben.«
    Jetzt heißt es Mut beweisen, dachte sie, während ihr das Herz bis zum Hals klopfte. »Ich werde jetzt etwas sagen, John, das dir zu denken geben wird.«
    »Nur zu.«
    »Colette würde es verstehen.«
    Ein

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