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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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Anschein, als habe es ihn gar nicht gegeben, ehe er seinen Führerschein bekommen hat. Laut der Adresse auf diesem Führerschein hat er in Windsor County gewohnt, in einem Ort namens Hortonville. Ich fahre jetzt hin, um mich mit einem gewissen Cyrus Karp zu unterhalten. Das ist der Sheriff dort.«

    Nachdem sich Driscoll vorgestellt hatte, kam Karp rasch zur Sache. »Lieutenant, haben Sie Mackmore Lane elf zweiundsiebzig gesagt?«
    »Das ist die Adresse, die mir die Vermonter Zulassungsstelle genannt hat, Sheriff.«
    »Bitte sagen Sie Cyrus. Leute, die gern eine Nacht im Kittchen verbringen möchten, können mich Sheriff nennen.«
    »Okay. Cyrus, warum hat mir die Frau von der Zulassungsstelle geraten, Sie anzurufen?«
    »Tja, da hatten Sie einen Riesendusel, junger Mann. Das war Emma Machleit. Und als sie gehört hat, dass sich ein Lieutenant aus der Großstadt nach einem Führerschein erkundigt, auf dem als Adresse das alte Haus an der Mackmore Lane angegeben ist, fand sie es am sinnvollsten, Sie an mich zu verweisen.«
    »Spukt es dort?«, fragte Driscoll amüsiert.
    »Müsste es eigentlich. Bloß dass es kein Haus gibt, in dem es spuken könnte.«
    »Sie meinen, die Adresse ist erfunden?«
    »Nö. Die Adresse gibt es schon, nur das Haus steht nicht mehr. Aus welchem Jahr, sagten Sie, stammt der Führerschein?«
    »1984«, antwortete Driscoll.
    »Also, das letzte Haus an der besagten Adresse ist 1968 abgebrannt. Ein Mädchen ist mit ihren Eltern bei dem Feuer umgekommen. Kommen Sie, wir schauen mal hin.«
    Karp und Driscoll gingen zu Fuß zur Mackmore Lane 1172. Das leere Grundstück, das sich zwischen zwei viktorianischen Häusern erstreckte, war von Unkraut überwuchert.

    »Die Leute aus dem Ort halten sich von hier fern«, erklärte Karp. »Sie sind überzeugt davon, dass es hier spukt.«
    »Kannten Sie die Bewohner?«
    »Nein. Nur die Geschichten.«
    »Und was besagen die?«
    »Dass die Bewohner des Hauses Schmerzen gelitten haben«, antwortete Karp und ließ den Blick über die üppigen Büschel der Wildpflanzen schweifen. »Und zwar ganz entsetzliche Schmerzen.«
    »Sie haben gesagt, ein junges Mädchen sei mit ihren Eltern bei dem Feuer umgekommen. Gab es denn auch Überlebende?«
    »Einen kleinen Jungen.«
    »Und was ist aus ihm geworden?«
    »Soweit ich weiß, ist er von der wohlhabenden Familie Pierce in Manchester adoptiert worden.«
    »Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, Cyrus, aber woher wissen Sie das alles?«
    »Hortonville ist ein kleiner Ort, wo jeder alles vom anderen weiß.«

78. KAPITEL
    Driscoll lenkte den Chevy in die Einfahrt des Anwesens von Edgar und Charlotte Pierce in Manchester. Japanische Kiefern zierten die Rasenfläche. Kunstvoll zugeschnittene Büsche säumten Beete, auf denen rote Callas ihre grellfarbigen Blüten präsentierten. Vor der mit Schnitzereien verzierten Haustür wachten zwei bronzene siamesische Löwen.

    »Sie müssen Lieutenant Driscoll sein.« Ein chinesischer Hausdiener führte Driscoll in einen riesigen Empfangsraum. »Darf ich Ihnen eine Tasse grünen Tee anbieten?«, fragte er.
    »Kaffee bitte.«
    Der Hausdiener verschwand und ließ Driscoll allein. Driscoll kam sich vor wie in einem Museum. Auf einem chinesischen Wandschirm schwangen Soldaten in Rüstungen ihre Schwerter und schlugen eine Reihe von Menschenköpfen ab, die aus dem Sand hervorlugten. Etliche Köpfe waren bereits gefallen, und die Erde war blutgetränkt. Das Spektakel wurde von einem bärtigen Mann in rosafarbenen Gewändern beobachtet, der auf einer Sänfte ruhte. Das muss der Kaiser sein, mutmaßte Driscoll und fragte sich, warum dieser ein solches Blutbad angeordnet hatte.
    »Dort sitzt Zheng, ein ziemlich heißblütiger Mann«, sagte jemand hinter ihm.
    Als er sich umwandte, kam eine silberhaarige Frau in einem langen, fließenden Kleid auf ihn zugetänzelt. »Der Gute hat Tausende von Freigeistern köpfen lassen.«
    »Ihr Inneneinrichter hat wohl einen Hang zum Makabren«, sagte Driscoll und schüttelte ihr die Hand.
    »Oh nein, Lieutenant. Mein Inneneinrichter, Gustave D’Ambroise, hatte sogar zunächst Einwände, aber wie hätte ich mich Ministerpräsident Lin Piao widersetzen können? Er hat darauf bestanden, dass ich den Wandschirm aufstelle. Bedauerlicherweise sind wir Frauen mächtigen Männern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wie dem auch sei, ich bin jedenfalls Charlotte. Sie sagten am Telefon, Sie wollten über Colm sprechen?«

    »Genau.«
    Charlotte Pierce bot Driscoll

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