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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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noch Moira.
    Ein Röcheln aus dem Dialysegerät holte Driscoll in die Gegenwart zurück, eine Gegenwart, in der er keine Vergebung für seinen Anteil an Moiras Schicksal fand. Er hätte ihre Einmischung vom ersten Augenblick an unterbinden sollen. Wie hatte er nur so blind für die Gefahr sein können, in die sie sich begab? Das junge Mädchen, dessen Körper auf unmenschliche Weise verstümmelt worden war, konnte sich bei ihm dafür bedanken. Es war, als hätte er die Waffen selbst geschmiedet. Die Schuldgefühle plagten ihn Tag und Nacht. Wäre er anstelle von Seamus oder Eileen Tiernan gewesen, er wäre mit einem Schnellfeuergewehr auf sich losgegangen. Bis heute war Driscoll ihre Passivität unbegreiflich. Auch ihnen gegenüber hatte er entsetzliche Schuldgefühle. Das Leid, das sein Fehlverhalten verursacht hatte, war unentschuldbar. Während er auf Moiras geschundenen Leib hinabblickte, legte er im Stillen ein feierliches Gelübde ab. Er würde diesen Killer aufspüren und nichts unversucht lassen, bis er tot war oder hinter Schloss und Riegel saß. Der Täter hatte die Sache mittlerweile zu einer sehr persönlichen Angelegenheit gemacht, und Driscoll war ihm erbarmungslos auf den Fersen.
    Erfüllt vom gleichen Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das er an Colettes Bett empfand, löste Driscoll den Blick von Moira und musterte die zahlreichen Bücher, die die
Regale auf der anderen Seite des Zimmers füllten. Darunter waren Titel wie Visual Basic Web Data Base, C++ Builder und Intermediate MFC. Daneben standen Schachteln mit Disketten, CD-ROMs, Elektronikteile und PC-Zubehör.
    Trogen ihn seine Augen, oder war das ein IBM-Thinkpad-Laptop, der da zwischen zwei dicken Nachschlagewerken über Delphi-Komponenten und Cobal II klemmte? Mein Gott! Sie hatte doch gesagt, unter freiem Himmel könne sie besser arbeiten. Natürlich! Sie brauchte einen Laptop. Und hier war er! Die Polizei hatte den falschen Computer untersucht. Sie hatte gewiss nicht ihren Desktop benutzt, sondern den Laptop. Warum war ihm das nicht früher klar geworden?
    Er klappte den Computer auf und schaltete ihn ein.
    Guter Gott! Sie hat ja mehr Programme hier drauf als der Geheimdienst, dachte Driscoll. Er drückte Moira einen Kuss auf die Stirn, nahm den Laptop unter den Arm, verabschiedete sich von der Krankenschwester und stieg die Treppe hinunter. Während das Technikerteam noch an Moiras großem PC herumwerkelte, würde er sich mit Margaret über den Laptop hermachen.

73. KAPITEL
    »Mann, was würde ich nicht für Moiras Passwort geben!«, stöhnte Driscoll.
    »Es muss etwas ganz Ausgefallenes sein.«
    Driscoll und Margaret hatten stundenlang am Schreibtisch gesessen und auf den leuchtenden Bildschirm des Laptops geblickt. Ohne Erfolg hatten sie jedes naheliegende
und jedes noch so abwegige Wort aus Moiras Lebensumfeld durchprobiert. Ihr Geburtsdatum. Ihr Geburtsdatum von hinten. Kate Leone, ihre Lehrerin in der ersten Klasse, gefolgt von sämtlichen anderen Lehrern, die sie je gehabt hatte. Ihre Lieblingseissorte bei Baskin Robbins, nämlich Muddy Road. Den Markennamen ihrer heißgeliebten Himbeer-Götterspeise. Citre-Shine, ihr Lieblingsshampoo. Lafeber’s, die einzige Körnermarke, die ihr Vogel Chester goutierte. Vassarette, ihre Slipmarke. Und 75B, ihre BH-Größe. Um die beiden noch massiver zu frustrieren, erschien jedes Mal, wenn Driscoll ein falsches Passwort eingab, Moiras Gesicht auf dem Bildschirm, einen Finger an den Lippen, während die aufgezeichnete Stimme des jungen Mädchens aus den winzigen Lautsprechern des Laptops spottete: »Doch nicht das, Dussel. Lies meine Lippen!«
    »Wenn ich die Stimme noch einmal höre oder dieses höhnische Gesicht noch einmal sehe, schreie ich«, erklärte Margaret.
    »Hat sie jemals einen festen Freund erwähnt?«, erkundigte sich Driscoll.
    »Gib einfach D-R-I-S-C-O-L-L ein.«
    »Sehr witzig.«
    »Das ist mein Ernst. Probier’s mal.«
    »Sei nicht albern.«
    »Doch … komm, ich mach’s.« Sie gab den Namen des Lieutenants ein.
    »Doch nicht das, Dussel. Lies meine Lippen!«
    »Wie heißt du mit zweitem Vornamen?«
    »Ach komm.«
    »Ich weiß es … William.«
    »Doch nicht das, Dussel. Lies meine Lippen!«

    »Höchste Zeit für eine Pause«, knurrte Margaret und kramte in ihrer Tasche nach der Puderdose mit dem Spiegel. Als sie sie gefunden hatte, zog sie sich die Lippen nach.
    »Margaret, ich könnte dich küssen! Das muss es sein. Sie wollte mich nicht zum Schweigen bringen, und das will sie

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