Der Knochendieb
Colm, und fragte sich, weshalb er immer noch Patient einer jugendpsychiatrischen Einrichtung war.
»Woher wissen Sie das?«, fragte Driscoll.
»Von Colm! Er wusste alles über Insekten. Gegen Ende seines Aufenthalts hatten wir an diesem Teich ein Stechmückenproblem. Richtig schlimm. Lazarus wollte DDT versprühen, aber Colm hielt ihm entgegen, dass das Singvögel und nützliche Insekten töten würde. Er bestellte eine Ladung Libelleneier, eine südamerikanische Art, und die waren wirklich wie Tiger! Jede Libelle hat am Tag neunhundert Stechmücken verputzt. Binnen eines Monats war das Mückenproblem gelöst. So war Colm.«
»Toller Kerl.«
»Ja. Keiner kann mit ihm mithalten.«
Etteridges Miene verdüsterte sich. Er verstummte und starrte auf den dunklen Teich.
»Sagen Sie, Mr. Etteridge, gefällt es Ihnen hier?«
»Sie lassen mich den Kaffee machen«, erklärte er strahlend. »Colm hat mir gezeigt, wie der Kaffeeautomat funktioniert. Er kannte sich perfekt damit aus. Wussten Sie, dass Kaffee in Äthiopien entdeckt wurde?«
»Haben Sie das auch von Colm gelernt?«
»Er hat andauernd über Kaffee geredet. Mr. Pierce senior war nämlich Kaffeeimporteur und ein großartiger Dad für Colm.«
»Kannten Sie ihn?«
»Nicht besonders gut, aber ich weiß, dass Colm seinem Dad sehr nahe stand.«
»Ist sein Dad oft zu Besuch gekommen?«
»Er hat praktisch hier gewohnt. Und Miss Langley hat sich immer gefreut, ihn zu sehen.«
»Wer ist Miss Langley?«
»Colms Pflegerin. Miss Langley hat Colm dazu angeregt, Arzt zu werden. Das hat seinen Dad unheimlich gefreut. Mann, sie und die Besuche bei ihr zu Hause fehlen mir wirklich.«
»Sie waren bei ihr zu Hause?« Dieser Mann war eine Goldgrube an Informationen. Der starrsinnige Lazarus konnte ihn gernhaben. Driscolls Gebete waren erhört worden.
»Sein Dad hat uns dorthin mitgenommen. Miss Langley hat dann immer kleine Törtchen gebacken, und wir haben uns an den Küchentisch gesetzt und heiße Schokolade dazu getrunken. Den Rest des Abends haben Colm und ich Scrabble gespielt.«
»Und Colms Dad und Miss Langley?«
»Die sind ins Schlafzimmer gegangen und haben Ed Sullivan geguckt.«
»Ich würde wirklich gern mit Miss Langley sprechen. Wohnt sie immer noch im gleichen Haus?«
»Ich glaube schon.«
»Könnten Sie mir den Weg beschreiben?«
Diesen Wunsch erfüllte ihm Etteridge gern.
81. KAPITEL
Das Pfefferkuchenhäuschen wirkte eher wie das Zuhause einer Märchenfigur als wie der Altersruhesitz einer pensionierten Krankenschwester. Die Klingel war aus Elfenbein und in Form einer Note geschnitzt. Driscoll drückte sie. Ein Glockenspiel erklang, doch niemand machte auf.
»Suchen Sie die alte Frau Langley?«
Driscoll wandte sich um und erblickte einen kleinen Jungen von fünf oder sechs Jahren. Er hockte auf den Steinstufen des Nachbarhauses und teilte seinen Lutscher mit einem Spaniel.
»Ist das ihr Haus?«
»Na klar.«
»Glaubst du, dass sie bald wiederkommt?«
Der Junge zeigte zu einem kleinen Friedhof auf einem Doppelgrundstück am Ende der Häuserreihe. »Das da drüben ist sie. Sie füttert gerade die Vögel.«
Rasch schritt Driscoll auf den Friedhof und Miss Langley zu. Eichelhäher, Spatzen, Tauben, zwei Stockenten und vier Kanadagänse flatterten um die Frau herum und verlangten kreischend nach Brotkrumen.
»Die heilige Theresia von den Vögeln«, rief Driscoll.
Er erhielt keine Antwort und begriff, dass er eine geheimnisvolle
und private Zeremonie störte. Er würde warten müssen, bis sie ihre Messe beendet hatte.
Obwohl die Fütterung vorüber war, wichen die Vögel nicht vom Fleck, gierig und unverschämt. Die Frau öffnete einen Instrumentenkoffer, entnahm ihm eine silberne Flöte und begann zu spielen. Die Melodie klang pastoral und ländlich. Die Vögel lauschten ihr wie in Trance.
Als die Melodie abbrach, flogen die Vögel davon und hockten sich auf die Zweige der umliegenden Ulmen und Eichen.
»Bravo!«, rief Driscoll. »Die Vögel können sich glücklich schätzen. Nicht nur eine Mahlzeit, sondern auch noch ein Konzert.«
Die Frau sah ihn an. »Ruhe!« Sie ließ sich auf die Knie sinken und begann zu flüstern.
»Confiteor Deo omnipotenti,
beatae Mariae semper virgini,
beato Michaeli Archangelo,
beato Johanni Baptistae,
sanctis Apostolis Petro et Paulo,
omnibus sanctis, et tibi,
Pater, quia peccavi nimis cogitatione,
verbo et opere,
mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.«
Sie erhob sich und musterte Driscoll. »Das
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