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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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überlasse. Dies ist die zeitraubendste Methode, doch sie erregt auch den geringsten Argwohn, da sich der Geruch auf ein Mindestmaß beschränkt. Ich ziehe es vor, die Individuen lebend zu bestatten, vermag jedoch nicht mit Gewißheit zu sagen, warum dem so ist.«
    In der bis dato geheimen Kammer wurden drei weitere Leichen entdeckt, die sich in nämlichem Zustand befanden. Die ausgebreiteten Hände und die verzerrten Gesichter der armen Opfer zeugten davon, daß sie in der Tat noch am Leben gewesen sein mußten, als Schneider die letzte Schaufel Erde auf ihre gepeinigten Häupter gehäuft hatte.
    Diese finsteren Beweggründe waren es, welche die Pressevertreter jener Zeit dazu veranlagten, Schneider den Namen zu verleihen, unter dem er fortan und für immer bekannt werden sollte - »Der Knochensammler«.
    Er fuhr weiter, befaßte sich in Gedanken wieder mit der Frau im Kofferraum. Esther Weinraub. Spitze Ellbogen, das Schlüsselbein so zart wie eine Vogelschwinge. Er drückte aufs Gaspedal, überfuhr sogar zwei rote Ampeln. Er konnte nicht viel länger warten.
    »Ich bin nicht müde«, fauchte Rhyme.
    »Ob müde oder nicht, du brauchst Ruhe.«
    »Nein, ich brauche noch was zu trinken.«
    Schwarze Koffer säumten die Wand und warteten darauf, daß sie von Polizisten des Zwanzigsten Reviers abgeholt und ins IRD-Labor zurückgebracht wurden. Mel Cooper schleppte gerade einen Mikroskopkasten nach unten. Lon Sellitto saß immer noch in dem Rattansessel, sagte aber nicht viel. Er war soeben zu dem Schluß gekommen, daß Lincoln Rhyme ganz und gar kein sanftmütiger Trinker war.
    »Bestimmt hast du wieder zu hohen Blutdruck«, sagte Thom. »Du brauchst Ruhe.«
    »Ich brauche etwas zu trinken.«
    Verdammt sei´st du, Amelia Sachs, dachte Rhyme. Ohne zu wissen, warum.
    »Du solltest es aufgeben. Die Trinkerei ist dir noch nie bekommen.«
    Na, ich geb's ja auch auf, erwiderte Rhyme im stillen. Endgültig. Am Montag. Und zwar ohne Zwölf-Stufen-Plan. Ich schaffe es in einem Schritt.
    »Gieß mir noch einen ein«, befahl er.
    Ohne wirklich noch einen zu wollen.
    »Nein.«
    »Gieß mir auf der Stelle einen ein!« blaffte Rhyme.
    »Niemals.«
    »Lon, würdest du mir bitte noch einen eingießen?«
    »Ich -«
    »Er kriegt nichts mehr«, sagte Thom. »Wenn er in diesem Zustand ist, wird er unerträglich. Das halten wir nicht aus.«
    »Willst du mir etwas vorenthalten? Ich könnte dich feuern.«
    »Nur zu.«
    »Einen Krüppel mißhandeln nennt man das! Ich werde dich anzeigen. Nimm ihn fest, Lon.«
    »Lincoln«, sagte Sellitto besänftigend.
    »Verhafte ihn!«
    Der Detective war von der Bösartigkeit, mit der diese Worte hervorgestoßen wurden, ziemlich verstört.
    »He, Alter, nun mach aber mal halblang«, versetzte Sellitto.
    »Ach, Herrgott«, ächzte Rhyme. Dann stöhnte er laut vor sich hin.
    »Was ist los?« rief Sellitto. Thom blickte argwöhnisch zu, schwieg aber.
    »Meine Leber.« Rhyme rang sich ein gemeines Grinsen ab. »Zirrhose vermutlich.«
    Wütend fuhr Thom herum. »Diesen Mist lasse ich mir nicht bieten, klar?« »Nein. Klar ist das -«
    Eine Frauenstimme unterbrach ihn. »Wir haben nicht viel Zeit.«
    »- überhaupt nicht.«
    Amelia Sachs trat ins Zimmer, warf einen Blick zu den leeren Tischen. Rhyme spürte, daß ihm ein Speicheltropfen über die Lippen lief. Er war außer sich vor Wut. Weil sie ihn sabbern sah. Weil er ein frisches weißes Hemd trug, das er nur ihretwegen angezogen hatte. Und weil er unbedingt allein sein wollte, für immer, allein in der Dunkelheit, wo Ruhe und Frieden herrschten - wo er der König wäre. Nicht nur König für einen Tag, sondern für alle Ewigkeit.
    Der Speichel kitzelte ihn. Seine ohnehin schon schmerzenden Nackenmuskel verkrampften sich beim Versuch, ihn abzustreifen. Thom riß rasch ein Kleenex aus der Schachtel und wischte seinem Chef Kinn und Mund ab.
    »Officer Sachs«, sagte Thom. »Willkommen. Ein leuchtendes Vorbild an Reife. Damit werden wir hier derzeit nicht gerade verwöhnt.«
    Sie hatte ihre Dienstmütze nicht auf, und ihre Bluse stand am Hals offen. Die langen, roten Haare fielen ihr wirr auf die Schultern. Niemand dürfte die geringste Mühe haben, diese Haare unter dem Vergleichsmikroskop zuzuordnen.
    »Mel hat mich reingelassen«, sagte sie und deutete mit dem Kopf zur Treppe.
    »Sollten Sie nicht längst im Bett liegen, Sachs?«
    Thom tippte ihm auf die Schulter. Benimm dich, hieß das.
    »Ich komme gerade vom FBI«, sagte sie zu Sellitto.
    »Was machen unsere

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