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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sondern hatte nur das wunderbare, herrliche Skelett vor Augen.
    Er berührte ihre Schläfe, streichelte sie zärtlich. Mach, daß nichts gebrochen ist, bitte ...
    Sie hustete und rümpfte die Nase - hier unten waren die Ausdünstungen sehr stark, obwohl er sie kaum noch wahrnahm.
    »Bitte, tun Sie mir nicht weh«, flüsterte sie und verdrehte den Kopf. »Tun Sie mir nichts. Bitte.«
    Er zog das Messer aus der Tasche, bückte sich und schnitt ihr die Unterwäsche vom Leib. Sie blickte über ihren nackten Leib hinab.
    »Haben Sie's darauf abgesehen?« sagte sie atemlos. »Na schön, vögeln Sie mich. Von mir aus.«
    Die fleischlichen Gelüste... sie ließen sich nicht einmal annähernd damit vergleichen.
    Er zog sie auf die Beine, und sie riß sich wie von Sinnen von ihm los und torkelte auf eine niedrige Tür in der anderen Ecke des Kellers zu. Sie rannte nicht, versuchte gar nicht zu entkommen. Weinte nur, streckte die Hand aus, bewegte sich auf die Tür zu.
    Der Knochensammler beobachtete sie, war fasziniert von ihren erbärmlich langsamen Schritten.
    Die Tür, hinter der sich einst eine Kohlenrutsche befunden hatte, führte jetzt über einen engen Gang zum Keller des unbewohnten Nachbarhauses.
    Esther schleppte sich zu der Eisentür und riß sie auf. Trat in den Gang.
    Kurz darauf hörte er einen gellenden Schrei. Gefolgt von einem atemlosen, gequälten »O Gott, nein, nein, nein«. Dazu einige unverständliche Worte, die in schrillen Schreckensrufen untergingen.
    Dann kam sie zurückgelaufen, wesentlich schneller als zuvor, und sie ruderte mit den Armen, als hätte sie etwas gesehen, was sie von sich stoßen, verscheuchen wollte.
    Komm zu mir, Esther.
    Schluchzend torkelte sie über den nackten Boden.
    Komm zu mir.
    Und sie lief ihm geradewegs in die ausgebreiteten Arme. Er umfing sie, drückte sie an sich wie ein Liebhaber, betastete ihr köstliches Schlüsselbein und schleifte die verzweifelte Frau langsam zu der Tür zurück.
     
     
    ZWANZIG
    Die Mondphasen, das Blatt, die feuchte Unterwäsche, Schmutz. Mittlerweile waren sie wieder vollzählig in Rhymes Schlafzimmer versammelt - alle bis auf Polling und Haumann. Zwei Captains der New Yorker Polizei zu einer Ermittlung hinzuzuziehen, zu der sie, daran war nicht zu rütteln, keine Befugnis hatten, hieße, die Solidarität über Gebühr zu strapazieren.
    »Du hast doch die Flüssigkeit an der Unterwäsche schon im GC untersucht, stimmt's, Mel?«
    »Muß ich noch mal machen. Die haben uns unterbrochen, bevor ein Ergebnis vorlag.«
    Er bereitete eine Probe vor und gab sie in den Gaschromatographen. Während das Gerät lief, trat Sachs ein Stück näher und betrachtete die steilen Zackenmuster, die am Bildschirm auftauchten. Wie Fieberkurven. Rhyme bemerkte, daß sie unmittelbar neben ihm stand, als hätte sie sich klammheimlich an ihn herangeschlichen, während er nicht aufgepaßt hatte. Leise sprach sie ihn an. »Ich war ...«
    »Ja?«
    »Ich war ruppiger, als ich wollte. Vorhin, meine ich. Ich habe eine aufbrausende Art. Ich weiß nicht, woher ich die habe. Aber ich hab' sie nun mal.«
    »Sie hatten recht«, sagte Rhyme.
    Sie schauten sich in die Augen, und Rhyme mußte an früher denken, an die ernsthaften Debatten, die er mit Blaine geführt hatte. Während sie miteinander sprachen, hatten sie sich stets auf irgend einen Gegenstand konzentriert, der zwischen ihnen stand - eins der Porzellanpferde, die sie sammelte, ein Buch, eine fast leere Flasche Merlot oder Chardonnay.
    »Ich gehe bei der Tatortarbeit anders vor als die meisten meiner Kollegen«, sagte er. »Ich habe jemanden gebraucht, der noch keine vorgefaßten Ansichten hat. Aber ich habe auch jemanden gebraucht, der seinen eigenen Kopf hat.«
    Die gleichen unvereinbaren Eigenschaften, die wir vom größten aller Trugbilder, dem idealen Liebespartner, erwarten. Verletzlichkeit und Stärke gleichermaßen.
    »Als ich mit Commissioner Eckert geredet habe«, sagte sie, »ging's mir bloß um meine Versetzung. Mehr wollte ich gar nicht. Ich bin doch nicht auf die Idee gekommen, daß sich das bis zum FBI rumspricht und die uns den Fall wegnehmen.«
    »Das weiß ich.«
    »Und ich bin trotzdem aufgebraust Es tut mir leid.«
    »Keinen Rückzieher, Sachs. Ich brauche jemanden, der mir die Meinung sagt, wenn ich mich wie ein Ekel aufführe. Thom tut das. Deswegen habe ich ihn gern.«
    »Komm mir nicht auf die sentimentale, Lincoln«, rief Thom quer durchs Zimmer.
    »Sonst schickt mich ja keiner zum Teufel«, fuhr

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