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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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berichtigte Rhyme. Sanft, aber bestimmt.
    »Sein Pfleger hat ihn jeden Morgen in seinen schicken Rollstuhl gesetzt«, fuhr sie fort, »und er ist überall hingefahren. Ins Kino, zum -«
    »Diese Rollstühle«, sagte Rhyme mit dumpfer Stimme, »sind für mich nicht geeignet.«
    Sie sagte nichts mehr.
    »Es liegt an der Art meiner Verletzung«, fuhr er fort. »Für mich wäre es gefährlich, wenn ich mich in einen Rollstuhl setzen würde. Es könnte« - er zögerte - »alles noch verschlimmern.«
    »Tut mir leid. Das hab' ich nicht gewußt.«
    »Selbstverständlich nicht«, sagte er nach einer kurzen Pause.
    Mitten ins Fettnäpfchen. O Mann ...
    Doch Rhyme nahm ihr den Fauxpas offenbar nicht übel. Er klang ruhig, ungerührt. »Hören Sie, Sie müssen die Suche fortsetzen. Unser Unbekannter macht es uns diesmal schwerer. Aber hoffnungslos dürfte es nicht sein ... Ich habe eine Idee. Er hat doch eine Vorliebe für alles Unterirdische, stimmt's? Vielleicht hat er sie vergraben.«
    Sie ließ den Blick über den Tatort schweifen.
    Dort vielleicht... Auf einer mit hohem Gras überwucherten Stelle neben dem Kiesweg sah sie einen Erdhaufen und Laub. Er wirkte irgendwie unnatürlich, so als wäre er aufgeschüttet worden.
    Sachs kauerte sich daneben, senkte den Kopf, nahm die Stifte zur Hand und fing an, das Laub zu entfernen.
    Sie wandte das Gesicht etwas nach links und sah plötzlich einen weit aufgerissenen Rachen vor sich, lange Giftzähne ...
    »Herr im Himmel«, schrie sie, zuckte zurück, fiel auf den Hintern und tastete nach ihrer Waffe.
    Nein ...
    »Ist alles in Ordnung?« rief Rhyme.
    Sachs legte an und versuchte mit zitternden Händen die Pistole abzustützen. Jerry Banks, der ebenfalls seine Glock gezogen hatte, kam angerannt. Er blieb stehen. Sachs rappelte sich wieder auf und betrachtete den Fund.
    »Mann«, flüsterte Banks.
    »Es ist eine Schlange - na ja, ein Schlangenskelett genaugenommen«, berichtete sie Rhyme. »Eine Klapperschlange. Verdammt.« Sie steckte die Glock wieder ins Halfter. »Sie ist auf einem Brett montiert.«
    »Eine Schlange? Interessant.« Rhyme klang fasziniert.
    »Ja, sehr interessant«, murmelte sie. Sie zog Latexhandschuhe an und hob das gewundene Knochengerüst hoch. Sie drehte es um. »Metamorphose.«
    »Was?«
    »Ein Aufkleber an der Unterseite. Der Name von dem Geschäft, aus dem es stammt, nehme ich an. Broadway Nummer 604.«
    »Ich lasse es von den Hardy Boys überprüfen«, sagte Rhyme. »Was haben wir sonst noch? Berichten Sie von den Hinweisen.«
    Sie befanden sich unter der Schlange. In einer Plastiktüte. Ihr Herz schlug einen Takt schneller, als sie sich über die Tüte beugte.
    »Ein Streichholzheftchen«, sagte sie.
    »Schön, vielleicht hat er eine Brandstiftung vor. Irgendein Aufdruck?«
    »Nee. Aber irgendwas ist drauf verschmiert. Sieht aus wie Vaseline. Stinkt aber.«
    »Gut, Sachs - stets an der Spur riechen, wenn man sich seiner Sache nicht sicher ist. Aber etwas präziser, bitte.«
    Sie beugte sich unmittelbar darüber. »Igitt.«
    »Das ist nicht präzis.«
    »Schwefel möglicherweise.«
    »Könnte ein Nitrat sein. Sprengstoff. Tovex. Ist es blau?«
    »Nein, es ist milchigweiß.«
    »Selbst wenn er explosiv sein sollte, würde ich meinen, daß es sich um einen nicht brisanten Sprengstoff handelt. Das sind die relativ harmlosen. Sonst noch was?«
    »Ein weiterer Papierfetzen. Da ist irgendwas drauf.«
    »Was denn, Sachs? Sein Name, seine Anschrift, seine E-Mail-Adresse?«
    »Sieht aus, als ob's aus einer Illustrierten stammt. Ich kann ein kleines Schwarzweißfoto ausmachen. Sieht aus wie ein Gebäudeteil, aber man kann nicht erkennen, von welchem. Und darunter kann man lediglich ein Datum entziffern. 20. Mai 1906.«
    »20-5-0-6. Könnte vielleicht ein Code sein. Oder eine Adresse. Ich muß darüber nachdenken. Sonst noch was?«
    »Nee.«
    Sie hörte ihn aufseufzen. »Na schön, kommen Sie zurück, Sachs. Wie spät ist es? Mein Gott, schon nach ein Uhr morgens. So lange bin ich seit Jahren nicht mehr aufgewesen. Kommen Sie zurück, dann sehen wir uns an, was wir vorliegen haben.«
    Die Lower East Side von Manhattan hat sich im Laufe der jüngeren Geschichte weniger verändert als alle anderen Viertel von New York. Vieles aus früherer Zeit ist natürlich verschwunden: die Felder und Weideflächen. Die Herrenhäuser von John Hancock und hohen Würdenträgern aus den Gründerjahren der Stadt. »Der Kolek«, der große Süßwassersee (der holländische Name wurde im

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