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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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welche er in seinem Wahnwitz so verehrte.
    Er bog mit dem Taxi in die menschenleere gepflasterte Straße ein, die East Van Brevoort, und hielt vor dem Haus. Er überprüfte die beiden schmutzigen Schnüre, die er knapp über dem Boden vor der Tür gespannt hatte, und überzeugte sich davon, daß niemand eingedrungen war. Eine jähe Bewegung erschreckte ihn, und er hörte wieder das tiefe Knurren der Hunde, sah ihre gelben Augen, die braunen Zähne, die mit Narben und Schwären übersäten Leiber. Er tastete nach der Pistole, doch plötzlich machten sie kehrt und jagten kläffend hinter einer Katze oder einer Ratte in der Seitengasse her.
    Er blickte sich auf dem Gehsteig um, und als er weit und breit niemanden sah, öffnete er das Remisentor, stieg dann wieder ins Taxi, fuhr in die Garage und parkte neben dem Taurus.
    Nach des Schurken Tod wurde seine Habe von Detektiven sichergestellt und gesichtet. Sein Tagebuch enthüllte, daß er acht ehrenwerte Bürger der Stadt ermordet hatte. Doch auch zu Grabräubereien war er sich nicht zu schade, denn aus seinen Schriften erfuhr man (so er die Wahrheit schrieb), daß er mehrere letzte Ruhestätten auf den Friedhöfen der Stadt geschändet hatte. Keines seiner Opfer hatte ihm das Geringste zuleide getan - im Gegenteil, handelte es sich doch zumeist um aufrechte Bürger, arbeitsam und über jeden Arg erhaben. Und doch tötete er sie, ohne die geringste Schuld zu empfinden. Vielmehr hat es den Anschein, als habe er in seinem Wahn geglaubt, er erweise seinen Opfern einen Gefallen.
    Er hielt inne, wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. Die Skimaske juckte. Er zerrte die Frau und ihre Tochter aus dem Kofferraum und durch die Garage. Sie setzte sich heftig zur Wehr, doch zu guter Letzt gelang es ihm, den beiden Handschellen anzulegen.
    »Du Schwein!« brüllte sie. »Untersteh dich, meine Tochter anzurühren. Wenn du sie auch nur anrührst, bring' ich dich um.«
    Er schlang ihr mit aller Kraft den Arm um die Brust und klebte ihr den Mund zu. Dann tat er das gleiche bei der Kleinen.
    »Das Fleisch ist schwach und vergänglich.« So hatte der Schurke ruchlos, doch mit steter Hand geschrieben. »Die Gebeine sind es, die dem Leib Kraft und Stärke verleihen. Sosehr das Fleisch auch altern mag, unsere Gebeine werden stets jung bleiben. Ich habe ein edles Ziel verfolgt, und es entzieht sich meinem Verständnis, wie jemand dies bestreiten will. Ich habe ihnen einen Freundesdienst erwiesen. Sie sind nun unsterblich. Ich habe sie befreit. Ich habe sie entbeint, bis auf die Knochen.«
    Er zerrte sie in den Keller, wo er die Frau zu Boden stieß und die Tochter zu ihr schubste. Befestigte die Handschellen mit einer Wäscheleine an der Wand. Dann ging er wieder nach oben.
    Er holte den gelben Rucksack und den Koffer aus dem Kofferraum und begab sich durch eine mit einem Riegel versehene Holztür in den großen Wohnraum des Hauses. Er wollte das Gepäck in eine Ecke werfen, doch aus irgendeinem Grund erregten die beiden Gefangenen seine Neugier. Er setzte sich vor einem der Wandgemälde hin -ein Schlachter, der in der einen Hand ein schweres Messer hielt, in der anderen ein Stück Rindfleisch.
    Er las den Gepäckaufkleber. Carole Ganz. Carole mit e. Wieso ein Buchstabe zusätzlich? fragte er sich. Der Koffer enthielt lediglich Kleidungsstücke. Er nahm sich den Rucksack vor. Das Geld fand er zuerst. Es mußten gut vier bis fünftausend Dollar sein. Er steckte es wieder in das Außenfach und zog den Reißverschluß zu.
    Im Innern fand er ein rundes Dutzend Spielsachen: eine Puppe, einen Malkasten, eine Packung Knetmasse, einen Mr.-Potatoe-Head-Kasten. Darunter waren ein Discman und ein Sony-Reisewecker.
    Er betrachtete sich einige Bilder. Fotos von Carole und ihrer Kleinen. Auf den meisten Fotos wirkte die Frau ausgesprochen bedrückt. Auf ein paar anderen etwas heiterer. Carole trug zwar einen Ehering, aber er fand kein einziges Foto von ihr und ihrem Mann. Auf einer Reihe von Bildern waren Mutter und Tochter mit einem Paar abgelichtet - eine stämmige Frau, die eine Art Großmutterkleid trug, und ein Mann, bärtig, mit beginnender Glatze, in einem Flanellhemd.
    Lange Zeit betrachtete der Knochensammler eine Porträtaufnahme der Kleinen.
    Besonders beklagenswert war das Schicksal der armen Maggie O ’Connor, eines schmächtigen jungen Mädchens von nur acht Lebensjahren. Durch schieres Mißgeschick, so vermutet die Polizei, kreuzte sie James Schneiders Weg, als dieser sich gerade eines

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