Der Knochenjäger
und verweste Leiche. Etliche Knochen waren in weitem Umkreis um den Torso versteckt. Der Schädel lag in einem Ölfaß, die Zehen befanden sich unter einem Laubhaufen... Der ganze Bezirk war außer Rand und Band. In der Presse war von Satanisten die Rede, von einem Serienmörder. Raten Sie mal, wen wir schließlich als Täter ermittelt haben.«
»Keine Ahnung«, sagte sie steif.
»Das Opfer persönlich. Es war Selbstmord. Waschbären, Ratten und Eichhörnchen haben die Überreste weggeschleppt. Wie Trophäen. Niemand weiß, warum, aber sie sind begeisterte Souvenirjäger. Wo sind Sie jetzt?«
»Am Fuß der Rampe.«
»Was sehen Sie?«
»Einen breiten Tunnel. Zwei schmälere Nebentunnel. Flache Decke, mit Holzpfosten abgestützt. Die Pfosten sind zerschrammt und schartig. Ein alter Betonboden, voll Dreck.«
»Und Mist?«
»Sieht so aus. In der Mitte, unmittelbar vor mir, ist der Pfosten, an den sie gefesselt war.«
»Fenster?«
»Nein. Türen auch nicht.« Sie ließ den Blick durch den breiten Tunnel schweifen, der sich tausend Kilometer weiter weg, so jedenfalls kam es ihr vor, in der Dunkelheit verlor. Hoffnungslosigkeit befiel sie. »Der Tatort ist zu groß! Viel zu viele Flächen, als daß man alles absuchen könnte.«
»Locker bleiben, Amelia.«
»Hier finde ich nie und nimmer etwas.«
»Ich weiß, daß es einem unmöglich vorkommt. Aber denken Sie einfach daran, daß Sie nur auf dreierlei Spuren achten müssen. Gegenstände, Spuren des menschlichen Körpers und Abdrücke. Das ist alles. Wenn Sie sich das vor Augen halten, ist die Suche weniger hoffnungslos.«
Du hast leicht reden.
»Und der Tatort ist nicht so groß, wie er aussieht. Konzentrieren Sie sich nur auf die Stellen, die die beiden betreten haben. Gehen Sie zu dem Pfosten.«
Sachs schritt die Strecke ab. Starrte zu Boden.
Die Halogenlampen waren strahlend hell, aber sie betonten auch die Schatten und zeigten zig Winkel, in denen sich der Kidnapper verbergen konnte. Sachs lief es eiskalt über den Rücken. Bleib dran, Lincoln, dachte sie widerwillig. Ich bin sauer, ganz klar, aber ich will dich hören. Deine Atemzüge oder irgendwas.
Sie blieb stehen und leuchtete mit dem Polilight den Boden ab.
»Ist wieder alles gefegt?« fragte er.
»Ja. Genau wie zuvor.«
Die kugelsichere Weste scheuerte trotz des Sport-BHs und des Unterhemds an ihren Brüsten, und obwohl sie an die Hitze draußen gewöhnt war, war die Temperatur hier unten geradezu unerträglich. Ihre Haut prickelte, und sie wünschte sehnlichst, sie könnte sich unter der Weste kratzen.
»Ich bin bei dem Pfosten.«
»Saugen Sie den Bereich ab.«
Sachs machte sich mit dem Spurenstaubsauger ans Werk. Sie haßte den Lärm. Er übertönte jedes Geräusch, seien es nahende Schritte, das Durchladen einer Waffe oder ein aufschnappendes Messer. Ein-, zweimal blickte sie sich unwillkürlich um. Hätte fast den Staubsauger fallen lassen, als ihre Hand zur Waffe wanderte.
Sachs betrachtete den Abdruck im Staub, wo Monelle gelegen hatte. Ich bin der Täter. Ich schleppe sie hier entlang. Sie tritt mich. Ich stolpere...
Monelle konnte nur in eine Richtung getreten haben, weg von der Rampe. Der Täter sei nicht hingefallen, hatte sie gesagt. Was wiederum hieß, daß er auf den Füßen gelandet sein mußte. Sachs ging ein, zwei Schritte in die Dunkelheit.
»Volltreffer!« rief sie.
»Was ist? Sagen Sie's mir.«
»Fußspuren. Er hat beim Fegen eine Stelle übersehen.«
»Stammen sie nicht von ihr?«
»Nein. Sie hatte Turnschuhe an. Die hier haben glatte Sohlen. Wie bei Abendschuhen. Zwei deutliche Abdrücke. Damit wissen wir, welche Schuhgröße er hat.«
»Nein, das werden sie uns nicht verraten. Sohlen können größer oder kleiner als das Oberleder sein. Aber irgend etwas werden sie uns schon verraten. Im Spurensicherungskoffer ist ein elektrostatischer Printer. Es ist ein kleiner Kasten mit einem Stab. Daneben müßten sich einige Bogen Acetatfolie befinden. Ziehen Sie das Papier ab, legen sie die mit Acetat beschichtete Seite auf den Abdruck und fahren Sie mit dem Stab darüber.«
Sie fand das Zubehör, sicherte die beiden Abdruckspuren und steckte die Folien vorsichtig in eine Papiertüte.
Sachs kehrte zu dem Pfosten zurück. »Und hier liegt ein Stück Stroh vom Besen.«
»Wovon?«
»'tschuldigung«, sagte Sachs rasch. »Wir wissen nicht, woher es stammt. Ein Stück Stroh. Ich hebe es auf und tüte es ein.«
Allmählich komme ich mit den Stiften ganz gut klar. He,
Weitere Kostenlose Bücher