Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
Vom Netzwerk:
praktisch ganz am Ende steht, ist das Silizium. Davon enthält der Körper eines Menschen im Durchschnitt nur 18 Gramm. Wenn das gesamte Wasser des Körpers verdampft und der Kohlenstoff in einem Einäscherungsofen verbrennt, bleiben am Ende etwa zwei bis drei Kilo Material übrig, und von diesem Gewicht macht das Silizium noch nicht einmal ein Prozent aus.
    Hazari hatte meine 42-Gramm-Probe an ein staatlich anerkanntes Privatlabor in Knoxville geschickt, das den Namen Galbraith Laboratories trug (»Genauigkeit mit Tempo - seit 1950«). Er hätte das Material auch selbst in einem Chemielabor an der Universität untersuchen können, aber staatlich anerkannte Unternehmen arbeiten mit einer vielfach überprüften und gut belegten Genauigkeit, und wir wollten sichergehen, dass die Analyse auch vor Gericht Bestand hatte. Eine Technikerin der Galbraith Laboratories unterzog die Probe einem spektrografischen Test, der als »optische Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Hochfrequenzplasma« oder kurz ICP-OES ( inductively coupled plasma optical emission spectroscopy ) bezeichnet wird. Im ersten Teil der Verfahrens stellt man ein »induktiv gekoppeltes Hochfrequenzplasma« her: Die unbekannte Substanz wird in Argongas verbrannt und leuchtet bei rund 10 000 Grad hell auf. Dann erzeugt das Instrument durch »optische Emissionsspektrometrie« einen »Fingerabdruck« der Probe, indem es die Wellenlängen des Lichtes misst, das die glühende Substanz abgibt. Im letzten Schritt vergleicht man den optischen Fingerabdruck der Probe mit denen für bekannte Elemente. Dieses Verfahren der analytischen Chemie hat seine Entsprechung in dem FBI-Beamten, der Fingerabdrücke von einem Tatort mit einer Sammlung von Fingerabdrücken bekannter Verbrecher vergleicht.
    Nach der Analyse der Galbraith Laboratories enthielten die Überreste, die das Tri-State Crematory als Asche von Chigger bezeichnet hatte, über 15 Prozent Silizium. Sofern der Tote nicht unmittelbar vor seinem Tod eine große Menge Erde gegessen hatte, lag dieser Wert weit außerhalb des Normalen. Höchstwahrscheinlich enthielten die Überreste also irgendein Füllmaterial - Zement, pulverisierten Kalkstein oder auch nur einfachen Sand.
    Was es auch war, das Richtige war es nicht. Die Überreste, die von dem Krematorium zurückkamen, hätten eigentlich drei Prüfungen bestehen müssen, ganz ähnlich dem dreiteiligen Eid, den jeder Zeuge im Gerichtssaal ablegen muss: dass die Messingurne, die an die Familie Harden geschickt wurde, Chigger enthielt, den ganzen Chigger und nichts als Chigger.
    Was hatte man also in Georgia mit Chigger und den vielen anderen Toten gemacht? Am 20. Juni 2002 ergab sich für mich noch einmal die Gelegenheit, es herauszufinden. Dieses Mal konnte ich es mir unmittelbar ansehen.
     
    Die Stadt Chattanooga liegt in Tennessee rund 160 Kilometer südwestlich von Knoxville. Etwa 30 Kilometer südöstlich von Chattanooga, aber kulturell Welten davon entfernt, befindet sich in Georgia die unselbstständige Gemeinde Noble. Der Name wirkt heute ungeheuer ironisch.
    Auf dem US-Higway 27 hat man Noble schnell hinter sich. An der vierspurigen Straße befinden sich eine Verkehrsampel, zwei oder drei Tankstellen und ein paar andere Einrichtungen, die unentbehrliche Waren oder Dienstleistungen anbieten: Gas und Gemüse, Metallwaren und Frisuren sowie mehrere Formen der geistlichen Erlösung.
    Wer nicht danach sucht, dem fällt vermutlich nie die Center Point Road auf, ein Asphaltband ohne Mittellinie, das vom Highway 27 nach Osten abzweigt. Ein Wegweiser leitet die Gläubigen zur Center Point Baptist Church (»Wo Jesus König ist«), die man nach ein paar hundert Metern auf der rechten Straßenseite findet. Links geht es zur Roy Marsh Lane, dann folgt die Clara Marsh Lane. Unmittelbar dahinter, auf der anderen Straßenseite, führt ein langer, gewundener Fahrweg zum Haus von Ray Brent Marsh und dann zum Gelände des Tri-State Crematory.
    Es ist ein kleines Holzhaus, vermutlich mit drei Schlafzimmern. Davor steht eine ausgediente Zapfsäule von Esso. Unmittelbar hinter dem Haus befindet sich ein hölzerner Sichtschutzzaun. In dieser Hinsicht und auch in vielem anderen hat das Gelände des Krematoriums eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Body Farm. Der Hauptunterschied aber ist reine Absicht: Auf der Body Farm lassen wir Leichen nur deshalb verwesen, weil es keine andere Methode gibt, um in diesem besonderen Bereich wissenschaftliches Neuland zu betreten. Es

Weitere Kostenlose Bücher