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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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Tz’u ihn 700 Jahre zuvor zurückgelassen hatte.
    Es war eine einfache Idee, aber eine mit weit reichenden Implikationen - und potenziellen Komplikationen. Nach den Maßstäben und Werten der meisten Kulturkreise würden solche Forschungsarbeiten grausig, respektlos oder sogar schockierend wirken. Dennoch stellte der Rektor der Universität nie in Frage, dass es sich um einen klugen Gedanken handelte; er hatte die Entwicklung unseres Instituts auch bisher schon beobachtet und bewundert, und jetzt zögerte er keinen Augenblick, uns zu unterstützen. Wieder einmal war es die Frage eines einzigen Telefongesprächs.
    Genau gegenüber vom Hauptgelände der Universität, auf der anderen Seite des Tennessee River - also eigentlich nur einen Ballwurf vom Footballstadion entfernt - lag hinter dem Klinikum der University of Tennessee ein ungenutztes Landstück von ungefähr einem halben Hektar. Jahrelang hatte man dort die Abfälle des Krankenhauses verbrannt, und es war sicher keine erstklassige Immobilie, aber ich glaube, wenn es das gewesen wäre, hätte ich mich dort nicht zu Hause gefühlt.
    Während meines ganzen Lebens habe ich geknickert und geknausert, um mit sehr wenig auszukommen. Ich bin während der Weltwirtschaftskrise aufgewachsen und habe zugesehen, wie sorgfältig meine Mutter mit dem Geld umging, das wir nach dem Tod meines Vaters von der Versicherung erhielten. Während der Ausgrabungen an den Indianergräbern von South Dakota fütterte ich ganze Kompanien von hungrigen Collegestudenten mit Erdnussbutter aus Überschussbeständen und ließ sie auf überzähligen Armeefeldbetten übernachten. Als wir in die baufälligen, engen Räumlichkeiten unter dem Footballstadion umzogen - die Fenster gingen auf ein Gewirr von Stahlträgern unter der Tribüne -, pinselte ich Wände, von denen die Farbe abblätterte, lackierte alte Schreibtische neu und reparierte abgenutzte Aktenschränke. Als der Rektor mir jetzt nur fünf Minuten von meinem Büro entfernt einen halben Hektar Land anbot - selbst wenn es sich um ein Müllgrundstück handelte -, nahm ich dankbar an: ein halber Hektar für die Toten.
    Im Herbst 1980 ging ich mit meinen Studenten an die Arbeit. In der Mitte des Grundstücks holzten wir Bäume und Gebüsch ab. Wir legten einen Kiesweg an, sodass Lastwagen mit Leichen und Gerätschaften auf das Gelände fahren konnten. Von der Klinik aus verlegten wir Wasser- und Stromleitungen. Vorwiegend in Handarbeit rodeten und ebneten wir ein Quadrat von etwa fünf mal fünf Metern unter schützenden Bäumen und verteilten darauf eine rund zehn Zentimeter dicke Kiesschicht. Als diese Fläche fertig war, ließ ich einen Lastwagen mit einer Ladung Beton kommen, deren Oberfläche ich gemeinsam mit den Studenten glättete. Auf dem Betonfundament bauten wir ein einfaches, fensterloses Holzhaus mit einem Dach aus billiger Teerpappe. In diesem Gebäude konnten wir Werkzeug aufbewahren - Schaufeln und Rechen, aber auch Skalpelle, chirurgische Scheren und andere Instrumente sowie Gummihandschuhe und Leichensäcke. Es nahm die volle Breite der Betonplattform ein, war aber nur zwei Meter tief. Davor befand sich also gewissermaßen eine Veranda von drei mal fünf Metern, wo wir ohne weiteres ein Dutzend Leichen für unsere Verwesungsstudien ablegen konnten.
    Die Besuche der Häftlinge in unserem Schweinestall hatten deutlich gemacht, dass wir uns auch um die Sicherheit kümmern mussten. Ich gelangte zu dem Schluss, dass wir es uns gerade eben leisten konnten, unsere kleine quadratische Untersuchungsfläche einzäunen zu lassen.
    Wenn man die Body Farm heute sieht, denkt man meist, sie sei von Anfang an in ihrem fertigen Zustand gewesen, aber so war es natürlich keineswegs. Sie wuchs aus bescheidenen Anfängen in kleinen Schritten heran. Die Fragen, die wir beantworten wollten, waren fast lächerlich einfach: Nach welcher Zeit fällt ein Arm ab? Wodurch und wann entsteht unter einer verwesten Leiche die schwarze Schmiere? Wann lösen sich die Zähne aus dem Schädel? Wie lange dauert es, bis eine Leiche zum Skelett wird? Um nach Antworten suchen zu können, mussten wir zunächst Forschungsobjekte finden. Wir hatten das Gelände, jetzt brauchten wir die Leichen. Ich schrieb an die amtlichen medizinischen Sachverständigen und Bestattungsunternehmer in allen 95 Kreisen von Tennessee.
    An einem Donnerstagabend Mitte Mai 1981 fuhr ich schließlich mit einem geschlossenen Lieferwagen zum Burris Funeral Home in Crossville, Tennessee -

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