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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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aber nach Lisas Tod hatte man es nicht mehr bei ihm gesehen. Daraufhin wurde in Lisas Totenschein die Angabe der Todesursache geändert: Statt ungeklärt stand dort jetzt Mord .
    Lisas Mörder ist leider bis heute auf freiem Fuß. Obwohl Bill anhand des Skeletts beweisen konnte, dass die junge Frau ermordet wurde, und trotz aller ungeklärter Fragen im Zusammenhang mit Bernie Wood und Danny Heath ist der Staatsanwalt des Kreises Fairfax nach wie vor nicht bereit, den Fall weiter zu verfolgen.
    Anthropologen und Insekten können die Wahrheit ans Licht bringen, aber sie können die Räder der Bürokratie nicht ins Rollen bringen und keine Gewähr bieten, dass Gerechtigkeit waltet. Sie können nur den Opfern eine Stimme geben und hoffen, dass sie gehört wird.

9
    Fortschritte und Proteste
    A m 15. Mai 1981, als wir die Leiche 1-81 als erstes Forschungsobjekt auf dem fünf mal fünf Meter großen, mit Maschendraht eingezäunten Areal ablegten, das damals die anthropologische Forschungseinrichtung darstellte, lag die Tageshöchsttemperatur nur bei 14,5 Grad. An den nächsten Tagen jedoch schoss sie bis über 28 Grad in die Höhe. Ein paar Monate früher hätten wir den Toten genauso gut in einen Kühlschrank legen können, aber nachdem es heiß war, spielten sich an der Leiche schnelle, auffällige Veränderungen ab. Nach wenigen Tagen war das Fleisch vom Gesicht fast völlig verschwunden, aufgefressen von den Maden, die in Mund, Nase, Augen und Ohren aus den Eiern geschlüpft waren. Bill Rodriguez hielt die Tätigkeit der Insekten sorgfältig fest, aber ebenso faszinierend - und grausig - war auch die Verwandlung der Leiche selbst.
    Die Verwesung eines Toten lässt sich ganz grob in vier Phasen gliedern: frisch, aufgebläht, verwest und getrocknet. Manche Fachleute nehmen noch feinere Unterteilungen vor, aber ich bin immer bestrebt, nicht im Sumpf der Definitionen stecken zu bleiben. (Es gibt in der Wissenschaft zwei Typen: die Untergliederer und jene, die alles in einen Topf werfen. Ich selbst bin im tiefsten Inneren nie ein Untergliederer gewesen; ich fasse lieber zusammen.)
    Im frischen Stadium von 1-81 formten der zahnlose Oberkiefer und der Unterkiefer mit seinen gelblichen Zähnen die Reste des Gesichts zu einer Art Grinsen. Als die Insekten sich vermehrten und weiter fraßen, starrten uns schon bald die leeren Augenhöhlen an. Haare und Haut hingen zunächst noch am Schädel, aber nach wenigen Tagen wurden auch sie immer lockerer.
    Gegen Ende der ersten Woche blähte die Leiche sich langsam auf. Als Bakterien nach und nach Magen und Darm abbauten, wölbte sich der Bauch durch die dabei frei werdenden Gase fast wie ein Ballon. Gleichzeitig nahm die Haut eine tiefe rötlichbraune Färbung an. Unter der Haut wurde das Fettgewebe abgebaut, sodass die Leiche leicht glänzte, fast als hätte man sie mit einer Glasur überzogen und im Ofen gebacken.
    Als das Fleisch die Farbe von Karamell annahm, wurde unter der Haut ein Netz dunkelrot-violetter Linien sichtbar. Es sah aus wie die Landkarte eines Kontinents mit seinen Flüssen. Das war der Kreislauf: Als das Blut in den Arterien und Venen verweste, wurden sie dicker und dunkler, fast als hätte man sie mit einem Filzstift auf die Haut gemalt.
    Die Doktoranden und ich sahen völlig fasziniert zu. So weit mir bekannt war, hatte kein Wissenschaftler zuvor schon einmal so etwas getan: Nie hatte jemand absichtlich einen menschlichen Leichnam zum Verwesen ins Freie gelegt, einfach abgewartet und sorgfältig aufgezeichnet, wann was geschah. Viele Forscher und auch Künstler wie Michelangelo hatten Leichen untersucht, aber dabei hatten sie sich für die Anatomie des Menschen interessiert; sie hatten die Toten seziert, um mehr über Knochen und Fleisch der Lebenden zu erfahren. Gegenstand meines Interesses war der Tod selbst.
    Als 1-81 seit zwei Wochen auf dem Weg von der frischen Leiche zum blanken Skelett war, bestand der Schädel nur noch aus nackten Knochen. Die Haare waren als zusammenhängende Matte abgefallen, die verfilzt und außerdem durch Gewebereste verbunden war. Die Matte lag in einer dunklen, schmierigen Pfütze, die den ganzen Kopf umgab. Der aufgedunsene Bauch war in sich zusammengefallen, die Bauchwand war geschrumpft und hing an dem vorstehenden Brustkorb - das Kennzeichen für den Übergang vom aufgedunsenen Stadium zur Verwesung. Nach einer weiteren Woche lagen die Rippen und die Wirbel des Rückgrats frei. Auch die Beckenknochen waren zu sehen, eine Folge

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