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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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der starken Insektenbesiedelung rund um die Geschlechtsorgane.
    Arme und Beine verwesten langsamer. Da ihnen die feuchten, dunklen Öffnungen von Kopf und Becken fehlten, waren sie für die Insekten, die sich über die Leiche hermachten, ein weniger reizvolles Ziel. Allerdings hatte sich an Händen und Füßen eine tief greifende, faszinierende Veränderung abgespielt: Ungefähr nach sieben Tagen wurde die Haut weicher und löste sich in großen Fetzen ab, fast als hätte 1-81 sich einen schweren Sonnenbrand geholt, sodass sich die Haut nun schälte. Anfangs war die abgelöste Haut blass und flexibel; verblüffenderweise waren die Leisten und Kreise der Fingerabdrücke noch deutlich zu erkennen, eine Tatsache, die ich meinem Freund Arthur Bohanan mitteilte, dem führenden Fingerabdruckexperten bei der Polizei von Knoxville. Einige Tage später jedoch war die Haut fast wie abgefallene Blätter eingetrocknet und geschrumpft. Im Labor gelang es Art jedoch, einen solchen eingeschrumpften Fetzen anzufeuchten und aufquellen zu lassen; auf diese Weise konnte er die Identität von 1-81 an einem Gebilde feststellen, das ein unerfahrener Ermittler vielleicht für ein Stück Laub gehalten hätte.
    Einen Monat nachdem 1-81 eingetroffen war, hatte er sich fast völlig in ein Skelett verwandelt. An Brustkorb und Schädel war noch ein wenig ledrige Haut zurückgeblieben, weil die Sonne das Gewebe getrocknet oder mumifiziert hatte; darunter jedoch hatten Insekten und Bakterien das weiche Gewebe vollkommen beseitigt. Ich ließ die Knochen noch vier oder fünf Monate in der Sonne bleichen, dann sammelten wir sie ein und brachten sie in das Leichenschauhaus des Krankenhauses zur »Weiterbehandlung« - sie wurden von den letzten eingetrockneten Haut- und Knorpelresten gereinigt.
    Anschließend vermaß ich die Knochen und hielt die wichtigsten Messwerte fest: Länge des Oberschenkelknochens; Durchmesser des Femurkopfes; Länge, Breite und Höhe des Schädels; Abstand zwischen den Augenhöhlen; und eine Fülle weiterer Daten, in denen sich die Abmessungen des Mannes widerspiegelten.
    Die Skelettvermessung war Teil eines größeren Plans, der in meinem Kopf während der vorangegangenen Monate und Jahre Gestalt angenommen hatte: Ich wollte die größte Sammlung menschlicher Skelette - moderner menschlicher Skelette - in den Vereinigten Staaten aufbauen. Einige riesige Skelettsammlungen gab es bereits. Die Terry Collection, die ursprünglich an der Washington University in Saint Louis untergebracht war und später an die Smithsonian Institution überging, umfasste mehr als 1700 Einzelskelette; wie ich aus eigener Erfahrung wusste, besaß die Smithsonian Institution in ihren anderen Sammlungen noch weitaus mehr, darunter einige tausend Skelette, die ich während meiner sommerlichen Ausgrabungen in South Dakota beigesteuert hatte. Aber diese Knochen waren alt und für forensische Zecke nicht zu gebrauchen.
    Wir Menschen haben uns in vielerlei Weise aus dem Evolutionsverlauf ausgeklinkt. Ich selbst bin dafür ein gutes Beispiel: Ich bin stark kurzsichtig, meine Sehschärfe liegt nur bei rund zehn Prozent. Hätte ich vor 10 000 Jahren gelebt, wäre ich nicht alt genug geworden, um Nachkommen zu haben und die Kurzsichtigkeit weiterzuvererben; mit großer Anstrengung hätte ich den Säbelzahntiger vielleicht gerade in dem Augenblick gesehen, als er die Kiefer aufriss, um mir die Kehle durchzubeißen. Heute ist es gleichgültig, ob wir der »Natur, rot an Zähnen und Klauen« gewachsen sind oder nicht: Wir überleben und pflanzen uns fort. (Zwei meiner drei Söhne, Jim und Charlie, haben meine Kurzsichtigkeit geerbt; Billy, der mittlere, besitzt aus irgendeinem Grund so gute Augen, dass er bei der Armee sogar als Hubschrauberpilot angenommen wurde.)
    Aber allem Anschein zum Trotz geht unsere Evolution weiter, auch die unseres Skeletts. Vor 100 Jahren war der Durchschnittsamerikaner 1,68 Meter groß; heute sind es 1,73 Meter. Eine Frau vom Indianerstamm der Arikara maß 1806, als Lewis und Clark sie vielleicht am Ufer des Missouri stehen sahen, durchschnittlich 1,58 Meter; heute wäre sie fünf bis acht Zentimeter größer.
    Wenn man ein unbekanntes Verbrechensopfer findet - und insbesondere wenn die Polizei nur ein paar lange Knochen entdeckt -, gibt es nur eine Methode, um die Körpergröße genau zu ermitteln: Man muss die gefundenen Knochen mit denen von Menschen mit bekannter Körpergröße vergleichen. Benutzt man für einen solchen Vergleich

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