Der Knochenmann
im Fernsehen hat man die Hendlstation von außen gesehen. Die Klöcher sind aber selber in der Hendlstation drinnen gesessen. Ein komisches Gefühl, daß du gleichzeitig außen und innen bist, praktisch Geistesspaltung.
Vielleicht ist das der Grund gewesen, daß der Egger in dem Moment sein Bier umgeschüttet hat, ich weiß es nicht.
Kurze Aufregung, aber dann sieht man die Hendlstation von innen, und der alte Löschenkohl tritt auf. Aber nicht der richtige Löschenkohl, der ist ja wie ein Kaiser hinten bei der Budl gestanden und hat bei der Fernbedienung immer ein bißchen lauter und leiser gedreht, damit man alles immer in idealer Lautstärke gehört hat. Sondern im Fernsehen natürlich ein Schauspieler, da haben sie nur so getan, als ob das der richtige Löschenkohl wäre.
«Seit seiner Jugend betreibt der heute siebenundsechzigjährige Friedrich Löschenkohl an diesem Ort eine Grillstation. Im Lauf der Jahre baute er die zunächst bescheidene Jausenstation zu einem stattlichen Gastronomiebetrieb aus.»
Der Löschenkohl-Schauspieler hat jetzt einem Gast ein Backhendl hingestellt, schön knusprig, das hat man sogar im Fernseher gesehen. Der Schauspieler hat aber dem alten Löschenkohl überhaupt nicht ähnlich gesehen, kein bißchen. Das ist der reinste Zwerg gewesen gegen den fast zwei Meter großen Wirt mit der Fernbedienung. Doch der Steireranzug hat gestimmt. Der Schauspieler ist aber viel zu gesprächig gewesen, das hat wieder nicht gestimmt. Weil der richtige Löschenkohl ist ja der reinste Stoiker gewesen, mehr so buddhistisch orientiert.
Dann auf einmal Riesenaufregung im Löschenkohl-Speisesaal.
«Wie in den meisten Landgemeinden ist auch in Klöch das Freizeitangebot nicht sehr groß. Um so größere Bedeutung kommt den örtlichen Vereinen zu, allen voran dem Fußballverein.»
Da haben sie die richtige Klöch-Fußballmannschaft beim Training gefilmt, und da hat man gesehen, wie der Haller-Bub ein Tor geschossen hat, ein schöner Schuß, das muß ich ihm lassen. Und der Haller-Bub natürlich: Höhepunkt seines Lebens, frage nicht. Aber der Tormann, das ist wieder ein Schauspieler gewesen, das hat man gleich gesehen, weil der hat keine gescheite Parade zusammengebracht.
«Aufgrund der Grenznähe kann der Unterligaclub auf ein stolzes Legionärskontingent verweisen. Star der Mannschaft ist der Tormann Goran Milovanovic aus dem ehemaligen Jugoslawien.»
Jetzt sieht man den Tormann, wie er beim Löschenkohl die Kellerstiege hinuntergeht.
«Wenn Goran Milovanovic nicht gerade beim FC Klöch im Tor steht, arbeitet er in der Grillstation Löschenkohl. Da das Gasthaus Löschenkohl landauf, landab für seine Backhühner bekannt ist, fallen im Betrieb viele Knochen an. Diese Knochen werden durch eine im Keller installierte Knochenmehlmaschine verwertet. Es gehört zu den Aufgaben Goran Milovanovics, diese Knochenmehlmaschine zu bedienen.»
Jetzt sieht man den Milovanovic-Schauspieler, wie er die Maschine einschaltet.
«Als Goran Milovanovic am Nachmittag des 23. Oktober wie gewohnt seiner Tätigkeit nachgeht, macht er eine grauenvolle Entdeckung.»
Der Milovanovic-Schauspieler greift in einen Berg von Hendlknochen und zieht einen menschlichen Oberschenkelknochen samt Knie aus der Maschine heraus.
Aber da haben sie jetzt einen guten Trick gemacht. Sie haben das Knie in Großaufnahme gezeigt, in den Händen vom Jugo, wie er es ein bißchen hin und her gebogen hat. Und auf einmal sind es nicht mehr die Hände vom Jugo gewesen, die das Knie gehalten haben, sondern die Hände vom Peter Nidetzky im Aufnahmestudio, und der Film war aus.
«Ja, meine Damen und Herren», sagt der Nidetzky, «dieses Knie hat Goran Milovanovic gefunden, und in weiterer Folge kam noch eine größere Anzahl menschlicher Knochen zum Vorschein, die, wie die kriminaltechnischen Analysen ergaben, von einem Mann mittleren Alters stammen. Die Knochen sind die einzigen Indizien, über die wir in diesem höchst mysteriösen Fall verfügen. Wir suchen nicht nur den Täter, wir suchen auch und vordringlich das Opfer. Besonders wichtig sind für uns vermißte Personen aus dem genannten Zeitraum, die bisher nicht der Polizei gemeldet wurden.»
«Wenn man bei uns jeden der Polizei melden würde, der vermißt wird!»
Das hat wieder der Jacky gesagt. Und damit hat er recht gehabt. Wie ich überhaupt sagen muß, daß der Jacky oft einmal recht gehabt hat. In seinem Bierdusel hat er oft mehr recht gehabt als ein anderer, der immer nüchtern ist.
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