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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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nur auf eine Gelegenheit zum Schütteln gewartet hat.
    Aber leider. Da hat sie sich verkalkuliert, weil genau gegenteiliger Effekt beim Brenner. Der hat ihr penetrantes Parfüm gerochen, und aus. Der ganze Zauber vorbei. Auf einen Schlag wieder stocknüchtern. Da kann soviel Musik und soviel Nebel und soviel
backlash
sein wie will, wenn der Brenner dieses penetrante Parfüm riecht, das ist, wie wenn du einen Schalter drückst. Ist das Hendl auf einmal doch wieder mit dem griffigen Weizenmehl paniert gewesen.
    «Simon heiße ich», sagt der Brenner, weil er hat sich gedacht, warum soll ich einen falschen Namen sagen, alt genug bin ich, daß ich mir im Puff meinen richtigen Namen sagen trau.
    «Dumon!»
    «Simon.»
    «Nein, Dumon!» schüttelt sich die Nutte wieder vor Lachen. «Weil in einem Puff gibt es kein Sie!»
    «Und wie heißt du?» fragt der Brenner, weil er hat sich gedacht: Wenn sie schon so redselig ist, kann nichts schaden, bin ich vielleicht gleich an die Richtige geraten.
    «Du Mon! Ich Angie!» sagt die Angie. Weil in jedem Puff gibt es eine Angie, und das ist die Angie vom
Borderline
in Bad Radkersburg gewesen. Und wie der Brenner ein bißchen blöd geschaut hat, hat sie es noch einmal umgekehrt probiert:
    «Ich Angie!» sagt sie und zeigt dabei auf die eigene Brust, also sie hat da nichts angehabt, das sollte ich vielleicht noch dazusagen. Und dann greift sie dem Brenner an die Brust und sagt: «Du Mon!»
    Er hat die Angie dann auf einen Piccolo-Sekt einladen müssen, und obwohl er sich bemüht hat, daß er auch seinen Teil zur Unterhaltung beiträgt, hat sie ihn schon nach dem zweiten Schluck besorgt gefragt: «Was schaust du denn so traurig, bist du gerade bei der Matura durchgefallen?»
    Und es ist eigentlich nur gewesen, weil ihn dieser Spruch schon so genervt hat, daß der Brenner jetzt gesagt hat: «Wie soll ich sonst schauen, wenn ich diesen Saustall da sehe.»
    Aber er hat mit dem Saustall nicht das Puff gemeint, quasi Moral, sondern den Nebentisch. Und ich muß ehrlich sagen: sonst ist alles picobello gewesen in dem Lokal, aber ausgerechnet der leere Tisch neben dem Brenner, der hat wirklich ausgesehen, als hätten die Schweine da gehaust. Zerbrochene Gläser, umgekippte Flaschen, Zigarettenkippen überall auf dem Tisch und am Boden, es hat eigentlich nur noch gefehlt, daß jemand dazu kotzt.
    «Ach, das ist nur der Palfinger», sagt die Angie.
    «Wer ist der Palfinger?»
    «Ich Angie! Du Mon!»
    Die hat ja wirklich einen Klopfer, hat sich der Brenner gedacht. Und jetzt ist er richtig froh gewesen, daß die Musik so laut war, daß er von dem Gequatsche nur die Hälfte verstanden hat. Und wenn du heute wo die eine Hälfte nicht verstehst, kannst du die andere Hälfte auch leichter ignorieren.
    «Das ist ein Schmäh, wie beim Tarzan, verstehst du? Ich Tarzan, du Jane, verstehst du: Ich Angie, du Mon, verstehst du? Welcher Tarzan gefällt dir am besten, mir immer noch der Johnny Weissmüller. Solche Männer gibt es heute nicht mehr. Das kann ich dir schriftlich geben.»
    Der Brenner ist sowieso Spezialist gewesen, wenn er etwas nicht hören hat wollen. Weil wenn du zwei Jahrzehnte in Wachstuben und Polizeibüros verbringst, dann bist du vielleicht ein bißchen Spezialist beim Rauschgift, oder ein bißchen Spezialist bei Mord, oder ein bißchen Spezialist bei Betrug. Aber voller Spezialist bist du immer nur beim Weghören. Weil Tag und Nacht der Kollege am anderen Schreibtisch, und die Sekretärin handelt am Telefon ihre Scheidung aus, wer letzten Endes den Wellensittich bekommt und wer nur Besuchsrecht. Wenn du da nicht Weghörspezialist bist, überlebst du kein halbes Jahr.
    «Was schaust du denn so traurig? Bist du gerade bei der Matura durchgefallen? Da ist er.»
    Aber die Kunst beim Weghören ist natürlich, daß du im richtigen Moment wieder zuhörst. Darum sage ich ja: Spezialist. Weil weghören kann bald einmal einer. Aber mitten im totalen Weghören im entscheidenden Moment wieder zuhören, das macht den Könner aus.
    «Da ist er.»
    Der Brenner hat gesehen, wie sich ein fetter Koloß auf wackeligen Zündholzbeinen die Stiege heruntergetastet hat. Er hat sich ängstlich am Geländer angehalten, und wie er endlich herunten gewesen ist, hat der Palfinger noch eine halbe Ewigkeit gebraucht, bis er zu seinem Schweinestall gekommen ist. Da hat er sich so in den dunkelroten Fauteuil plumpsen lassen, daß eine richtige Staubwolke aufgestiegen ist, aber in dem Scheinwerferlicht hat es wie ein

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