Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
rosaroter Heiligenschein gewirkt.
    «Der sieht ja sogar selber aus wie ein Schwein», schreit der Brenner in das Angie-Ohr hinein.
    «Pssssssst!»
    Auf einmal hat die Angie ausgesehen, als wäre sie bei der Matura durchgefallen. «Bist deppert? Das ist unser bester Kunde.»
    «Das Schwein da?»
    Ich persönlich finde ja dicke Leute zehnmal schöner, als wenn einer nur Haut und Knochen ist. Weil da gibt es bei uns Leute, die sind so dünn, daß aus Biafra Spenden herübergeschickt werden. Aber bei dem Anblick muß ich auch sagen, kann man dem Brenner nicht böse sein, daß er so geredet hat. Weil es ist nicht nur die Leibesfülle gewesen, sondern die ganze Ausstrahlung.
    «Das ist der Palfinger», sagt die Angie.
    «Ich kenne keinen Palfinger.»
    Zuerst hat es die Angie gar nicht glauben wollen. «Wo bist du eigentlich in die Schule gegangen?» sagt sie, kippt den letzten Schluck Sekt hinunter und verschwindet.
    Und wie sie nach einer Minute frisch geschminkt wiederkommt, setzt sie sich nicht mehr zum Brenner, sondern zum Palfinger, weil da muß sie sich mehr Provision ausgerechnet haben. Aber die Angie hat heute keinen guten Tag erwischt, weil noch bevor sie gesessen ist, hat ihr der Palfinger einen richtigen Arschtritt gegeben. Und da muß ich ehrlich sagen: daß der Palfinger überhaupt so gelenkig ist, das wundert mich selber.
    Aber die Leute im
Borderline
hat es überhaupt nicht gewundert, weil die sind es schon gewohnt gewesen, wie der sich aufführt. Und die Angie hat auch schon wieder gelacht, wie sie sich jetzt aufgerappelt hat. Und siehst du, das macht die Nutte aus: Hat sie sich einfach wieder zum Brenner gesetzt und ihn gefragt, ob er ihr noch einen Piccolo zahlt. Aber der Brenner ist nicht einmal zum Antworten gekommen, da grunzt der Palfinger schon herüber: «Geh mir aus der Spuckrichtung, Angie.»
    Und obwohl die Angie sofort ihren Platz geräumt hat, dem Palfinger ist es nicht schnell genug gegangen. Jetzt hat er der Angie aus vier, fünf Meter Entfernung ins Gesicht gespuckt.
    Die Angie hat sich endgültig hinter die Theke verzogen, und der Brenner hat sich auch nach einem anderen Platz umgeschaut, weil natürlich kein Wunder, daß er sich denkt: Womöglich bin ich sonst der nächste, den dieses Vieh attackiert. Aber bevor er das überhaupt richtig überlegt hat, ist der Palfinger schon soweit gewesen: «Setz dich zu mir herüber, Knochenschnüffler.»
    Da gibt es den alten Trick, daß man so tut, als hätte man es nicht gehört. Und wenn man seinen Frieden haben will, ist das immer noch eine der besten Möglichkeiten. Aber wie soll ich sagen, vielleicht hat der Brenner jetzt gar nicht mehr unbedingt seinen Frieden haben wollen, wie er gesagt hat: «Treffen Sie kein zweites Mal auf die Entfernung?»
    «In einem Puff gibt es kein Sie, Knochenschnüffler. Das ist wie beim Bergsteigen, über 2000 Meter gibt es kein Sie, und das gilt auch für Bordelle. Setz dich zu mir herüber, und ich erzähl dir was. Ich spucke nie an einem Tag zweimal wen an. Das ist ein Prinzip.»
    «Sie können es mir ja so auch erzählen. Ein bißchen Abstand schadet nichts.»
    Der Palfinger hat sich geplagt wie ein alter, schwerkranker Mensch, und er hat ein paar Minuten gebraucht, bis er sich endlich aus dem niedrigen Fauteuil befreit hat und auf seinen Zündholzbeinen gestanden ist.
    Dann ist er langsam nach hinten zur Tür gegangen und hat den Jacky hereingeholt. Und jetzt hat der Brenner gesehen, daß das mit dem Idealismus vom Jacky gar nicht so falsch gewesen ist. Weil sein wirkliches Geld hat der mit etwas anderem gemacht.
    Wie der Palfinger mit dem frischen Gras zurückgekommen ist, hat er sich neben den Brenner gestellt und ihm ganz korrekt die Hand hingestreckt. «Gestatten Sie: Julius Palfinger. Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie mit mir rauchen. Jackys beste Ernte.»
    So gestelzt, wie er sich bewegt, drückt er sich auch aus, hat sich der Brenner gedacht. Auf die freundliche Tour ist ihm der Mensch fast noch unangenehmer gewesen als beim Arschtreten.
    «Ich rauche nicht.»
    «Keine Laster?» hat der Palfinger in sich hineingelächelt.
    Der Brenner hat gestaunt, wie flink der Palfinger mit seinen fetten Fingern die Zigarette gedreht hat. Er hat sie mit einem überlangen Streichholz angezündet, wie man sie für das Backrohr von einem Gasherd verwendet. Nach dem ersten Zug hat der Brenner geglaubt, jetzt fängt er an mit seiner wichtigen Geschichte. Aber zuerst noch ein zweiter Zug und den Rauch so lang wie möglich in

Weitere Kostenlose Bücher