Der Knochenmann
–»
«Vom Eisberg?»
«Nein, vom. Vom Verein, will ich sagen. Vom Vorstand. Nur der Präsident. Der Löschenkohl eben.»
Sie sind jetzt wieder zur Grenze gekommen, aber keine langen Formalitäten, weil den Ferdl haben die Zöllner schon gekannt. Ich will nichts Falsches sagen, aber gewisse Abmachungen wird es da schon gegeben haben. Jedenfalls haben sie den Bus durchgewunken, und wie sie drüben sind, sagt der Fahrer: «Da stehen sie in der Nacht immer. Die Nutten von Jugo herauf. So wie wir die Fußballer haben, verdienen sich die Nutten auch ein paar Devisen.»
Das mit den Devisen hat dem Ferdl irgendwie keine Ruhe gelassen. Als Chauffeur hat man da wahrscheinlich eine gewisse Beziehung dazu. Eigentlich kein schlechter Beruf, wo man doch viel kennenlernt im Lauf der Zeit. Da hat der Ferdl natürlich ein schönes Allgemeinwissen gehabt: «Die Jugo-Nutten sind billiger und besser als die einheimischen.»
«Genau wie bei den Fußballern», sagt der Brenner.
«Ja, ganz genau. Wie bei den Fußballern», lacht der Ferdl. Und dann deutet er mit dem Kopf auf den Straßenrand und sagt: «Da steht schon die erste. Aber besonders am Wochenende wimmelt es von ihnen. Die Freundin vom Ortovic ist da auch immer gestanden. Bevor sie verschwunden ist.»
«Ist sie dem Ortovic davongelaufen?»
Jetzt aber. Und siehst du, darauf will ich die ganze Zeit hinaus! Im falschen Moment nachgefragt, und schon ist alles aus.
Weil jetzt hat der Ferdl natürlich gewußt, daß der Brenner kein Sportreporter ist. Wenn er nicht einmal weiß, daß der Jugo-Stürmer Ortovic und seine Freundin ein paar Tage nach der Bestechungsgeschichte verschwunden sind. Von einem Tag auf den anderen wie vom Erdboden verschluckt.
Der Ferdl ist jetzt hinter seinem Lenkrad in ein eisiges Schweigen verfallen. Der Brenner hat nachfragen können oder nicht nachfragen – immer nur das eisige Ferdl-Schweigen als Antwort. Bis ihn der Brenner ein bißchen mit den Wunderdecken gekitzelt hat. Da hat der Chauffeur doch die Sprache wiedergefunden.
Aber er hat letzten Endes auch nicht mehr gewußt, als daß der Feldbacher Stürmer Ortovic erst vorgestern wieder aufgetaucht ist. Im großen Ballsack des FC Klöch. Ausgerechnet drei Tage, nachdem der Klöcher Tormann Milovanovic spurlos verschwunden ist.
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Das ist jetzt natürlich ein bißchen eine peinliche Geschichte. Weil der Brenner hat sich gedacht, die verschwundene Prostituierte, die Freundin von dem Ortovic, da geh ich vielleicht einmal nach Radkersburg ins
Borderline,
da finde ich vielleicht etwas heraus.
Jetzt wirst du sagen, das ist eine gute Ausrede. Und da höre ich schon förmlich die Leute reden, der Brenner wäre sicher nicht ungern ins
Borderline
gegangen. Und man kann es auch keinem verdenken, wenn er so was glaubt. Unter uns gesagt, der Brenner ist sich selber auch nicht ganz sicher gewesen, gehe ich jetzt nur hin quasi Recherche, oder ist ding auch ein bißchen dabei. Du weißt schon, muß ich jetzt nicht aussprechen, praktisch er ist auch nur ein Mann.
Und Straßenstrich natürlich wieder ganz eine andere Sache, und da kann man mit Recht sagen, was hat der Brenner im
Borderline
zu suchen. Aber wenn schon alle immer glauben, daß sie es besser wissen, dann muß ich das eine auch einmal sagen dürfen: Ausgerechnet hier im
Borderline
ist der Brenner dann den entscheidenden Millimeter weitergekommen. Und ohne diesen Millimeter hätte man den Knochenmann vielleicht bis heute noch nicht erwischt, der da so brutal in der Steiermark umgegangen ist, daß sich die Mütter schon nicht mehr getraut haben, ihre Kinder auf die Straße zu lassen. Dabei sind gar keine Kinderknochen dabeigewesen. Aber wenn du heute eine Mutter bist, ist natürlich Vorsicht die Mutter der Porzellankiste.
Und das ist ja heute den wenigsten Müttern bewußt, daß sie es nur dem Brenner zu verdanken haben, wenn sie ihre Kinder wieder in die freie Natur hinauslassen können. Und Federball, und Schwimmen, und Radfahren, ja mein Lieber, das ist ein Spaß, und alles nur, weil der Brenner ins Puff gegangen ist. Und von mir aus soll ein bißchen ding dabeigewesen sein beim Brenner seinem Entschluß, also nicht hundert Prozent nur Recherche. Ist das so schlimm, wenn wir heute dafür ein paar Tote weniger in der Steiermark haben?
Du mußt schon entschuldigen, aber es regt mich manchmal furchtbar auf, die Scheinheiligkeit der Leute bei uns. Jetzt, wo bin ich stehengeblieben.
Es ist der Sonntag abend gewesen, zwei Tage nach der
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