Der Knochenmönch
einmal erlebten wir hier in London keinen kalten Wintertag, sondern einen naßkalten Morgen mit böigem Wind. Zum Glück regnete es nicht auch noch.
Ich traf im Bereich des Eingangs meine Sekretärin Glenda Perkins, die meinem Gesicht ansah, welch einen Reinfall ich erlebt hatte. »Na, Pech gehabt?«
»Das war ein Schuß in den Ofen.«
»Ich ahnte es.«
»Im Gegensatz zu Sir James.«
Glenda verteidigte ihn. »Der wollte nur auf Nummer Sicher gehen, das war alles.«
»Da hätte er auch einen anderen hinschicken können.«
»Hat denn einer deine Erfahrung?« Ich wechselte das Thema. »Wo willst du überhaupt hin um diese Zeit?«
»In die Pause.«
»Was essen?«
»Nein, einkaufen. Brauchst du was? Soll ich dir was mitbringen? Wenn ich an deinen Kühlschrank denke, überwiegt die flüssige Nahrung die feste, denke ich mal.«
»Stimmt. Das bißchen, das ich esse, kann ich auch trinken.« Ich lächelte ihr zu. »Dann wünsche ich dir einen gesegneten Einkauf, meine Liebe.«
»O ja, danke.«
Ich fuhr hoch zu meinem Büro. Suko war nicht da. Auf meinem Schreibtisch lag ein Zettel. Suko hatte einige Zeilen darauf gekritzelt. Er teilte mir mit, daß er sich in den Fitneßraum begeben hatte, um seine Kondition auf Vordermann zu bringen. Die Nachricht hatte er mit einer Frage und einer Bemerkung beendet.
Kommst du nach? Es würde dir guttun…
Ich nahm den Zettel und knüllte ihn zusammen. »Von wegen nachkommen.« Dann warf ich ihn in den Papierkorb.
Es war so herrlich ruhig. Ich setzte mich und legte die Beine hoch. Ein wenig entspannen kann nie schaden, und mit dieser Haltung wurde ich der Karrikatur eines Beamten gerecht.
Nur spielte das Telefon nicht mit. Als es tutete, schrak ich zusammen und rutschte dabei so weit nach vorn, daß ich fast von der Stuhlkante geglitten wäre.
Beim dritten Tuten schnappte ich mir den Hörer und meldete mich mit ziemlich unwillig klingender Stimme.
»John, bist du es?«
Der Anrufer hatte gefragt und zugleich geflüstert. Es verging nicht einmal eine Sekunde, als mir das Blut in den Kopf schoß, denn ich hatte trotz des Flüsterns die Stimme erkannt, auch wenn ich sehr lange nichts mehr von meinem Vater gehört hatte und in mir wieder das schlechte Gewissen hochstieg.
»Dad? Himmel, was…«
»Keine Fragen jetzt, John. Tu mir nur den Gefallen und hör mir genau zu.«
»Mach ich.«
Wenn mein Vater so redete, mußte er unter einem starken Druck stehen.
Ich schaltete automatisch das Band ein, damit das Gespräch aufgezeichnet wurde.
Meine Beine lagen längst nicht mehr auf dem Schreibtisch. Ich saß normal davor und schrieb Fetzen der Erklärung mit, obwohl das Band lief.
Ich notierte mir Namen, die mir durchgegeben wurden. Alberti, Wallraven und Pfarrer Driscoll.
Erst später kam mein Vater darauf zu sprechen, daß er an diesem Morgen zwei Tote entdeckt hatte. Seinen alten Freund Cartland hatte er in der Kirche gefunden und den Pfarrer mit durchschnittener Kehle in seinem Arbeitszimmer.
Das gab mir einen Stich in den Magen. »Und wo befindest du dich jetzt, Dad?«
»Noch neben dem toten Pfarrer.«
»Was?«
»Ja, ich komme hier schlecht weg. Es ist ziemlich einsam, und ich habe keinen Wagen.«
»Wo steckst du denn überhaupt?«
»In einer Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. In einer Gegend knapp südlich der schottischen Grenze.«
»Mist, da komme ich so schnell nicht hin.«
»Das brauchst du auch nicht, John. Ich werde schon allein damit fertig, glaube es mir.«
»Bist du sicher?«
»Ja, ich werde es zumindest versuchen. Nicht ohne Grund habe ich dir die Namen gesagt. Tu mir einen Gefallen und forsche vor allen Dingen nach, wo wir diesen Pfarrer Driscoll finden können. Das müßtest du doch schaffen, oder?«
»Ich werde es versuchen. Was ist mit dir?«
»Ich werde dich anrufen, sobald ich zurück in der Stadt bin.«
»Moment, Dad, so einfach ist das alles nicht. Ich werde Kollegen losschicken, die dich von der Kirche abholen…«
»Das brauchst du nicht, John. Ich schaffe es allein. Schließlich bin ich kein kleines Kind mehr. Bis die Kollegen von dir eingetroffen sind, ist viel Zeit vergangen, da kann mich ein Killer dreimal umgebracht haben.«
»Dad, das ist…«
»Du hörst wieder von mir, Junge.«
Damit hatte er aufgelegt, und ich schickte einen Fluch gegen das Telefon. Wie konnte jemand nur so stur sein und sich nicht helfen lassen wollen?
Auf der anderen Seite durfte ich mich darüber nicht beschweren, denn ich reagierte nicht
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