Der Koch
lehnte den Champagner ab, den Maravan in Sarong und weißem Hemd servierte. Er nahm diese Abweichung vom Menü mit Besorgnis zur Kenntnis und hoffte, dass nicht genau diese Zutat die Wirkung beschleunigt hatte.
Als die beiden Frauen Platz genommen hatten, brachte er den Gruß aus der Küche, die Minichapatis, auf die er mit etwas Zeremoniell seine Essenz aus Curryblättern, Zimt und Kokosöl träufelte.
Von da an servierte er die Gänge nur noch auf Andreas Zeichen, das Läuten einer Tempelglocke aus Messing, ebenfalls eine Leihgabe von Maravan.
Jedes Mal, wenn die Glocke ertönte und er ein neues Gericht brachte, war Andreas Gast entspannter und er dadurch auch. Nachdem er den Tee und das Konfekt serviert hatte, verabschiedete er sich mit einer kurzen Verneigung, so wie sie es abgemacht hatten.
Kurz vor zehn Uhr abends verließ er die Wohnung diskret. Andrea würde ihn am nächsten Tag anrufen und ihm mitteilen, wann er vorbeikommen, aufräumen und mit ihr das Material nach Hause transportieren konnte.
Es war ein schwüler Abend, am Himmel lag noch der Nachglanz der Sonne, die vor einer Weile untergegangen war. Tagsüber war das Thermometer auf über dreißig Grad geklettert.
An solchen Abenden war das Heimweh am schlimmsten. Sie erinnerten ihn an Colombo im Monsun. Jeden Moment konnten die ersten Tropfen fallen, und manchmal glaubte er, die ferne Brandung vom Galle Face Drive her zu hören und das Krächzen der Raben, die die Garküchen an der Promenade belauerten.
Sogar der Geruch konnte ähnlich sein an schwülen Tagen kurz vor dem Regen. Besonders, wenn von irgendwo der Duft eines Gartengrills herüberwehte. Dann roch er sie, die Garküchen, und meinte, ihre Lichter in der Ferne blinken zu sehen.
Aber heute war das Heimweh nicht schlimm. Heute hatte er das Gefühl, einen Schritt weitergekommen zu sein. Er hatte seinen ersten richtigen Auftrag als Mietkoch in einem Schweizer Haushalt ausgeführt. Nein. Hatte er nicht Mobiliar und Dekorationsmaterial mitgeliefert? Und hatte er nicht auch den Service übernommen? Genau genommen war das heute der erste Einsatz von
Maravans Catering
gewesen.
Und auch der Liebeskummer quälte ihn nicht. Wenn es ein Mann gewesen wäre, mit dem Andrea diese Nacht verbringen wollte, hätte er sich wohl anders gefühlt. Aber auf die Blondine war er nicht eifersüchtig. Wenn er ganz ehrlich war, freute er sich sogar über seine Komplizenschaft bei ihrer Verführung. Er fühlte sich dadurch Andrea etwas näher.
Ohne weitere Warnung entleerten sich die Wolken über ihm. Er blieb stehen, breitete die Arme aus und wandte das Gesicht dem Regen entgegen. Wie der junge Mann, den er vor Monaten aus dem Tram beobachtet hatte. Oder wie er selbst. Als Junge im ersten Regen des Monsuns.
AUGUST 2008
13
Huwyler hatte den Laden wenn auch nicht gerade voll, so doch um einiges besser ausgelastet als die meisten seiner Kollegen. Er musste es wissen, als amtierender Präsident von
swisschefs
saß er an der Quelle. Er strampelte sich ab gegen die Krise, hatte Ideen - sein
Menu Surcrise
hatte zum Beispiel als kleine witzige Meldung Eingang in die lokalen Medien gefunden - und jetzt das!
Baute ihm doch dieses Arschloch einen Herzinfarkt. An einem Freitagabend,
full house
!
Kotzte dabei über den Tisch! Und auf die Hemdenbrust seines Gastes, eines holländischen Geschäftsmannes.
Alle mussten denken: So, jetzt stirbt da einer vor meinen Augen im Huwyler. Was hat der wohl gegessen?
Drei Ärzte waren sofort bei ihm, zogen ihn praktisch nackt aus, einer am Handy gab dem Notruf erste Diagnosen durch, »Verdacht auf Myokardinfarkt«, der andere am Wiederbeleben, der dritte draußen und schon wieder drinnen mit einem Köfferchen, gab ihm eine Spritze. Und schon hörte man die Ambulanz.
Sanitäter und Notarzt kamen mit einer fahrbaren Trage, drei Tische mussten aus dem Weg geräumt werden. Dann fuhren sie ihn raus, kein schöner Anblick: Dalmann, schneeweiß, Sauerstoffmaske, im Haar klebte Erbrochenes.
Der ganze Betrieb brach natürlich zusammen. Abgerufene Gänge mussten zurück in die Küche, Halbaufgegessenes blieb auf den Tischen stehen, Gäste wollten zahlen, andere warteten, bis ihre Tische wieder an ihrem Platz standen, anderen war schlecht geworden. Die Frau eines bekannten Wirtschaftsanwalts bekam einen hysterischen Weinkrampf. Und alle schauten angewidert zu, wie die beiden Tamilen Dalmanns Tisch abräumten und den Boden aufwischten.
Und dann kam noch der Chef de Service mit einem
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