Der Koch
»Glaubst du, das könnte funktionieren?«
»Wenn du so kochst wie für mich.«
Maravan lachte leise. »Ach so. Und die Kunden?«
»Um die kümmere ich mich.«
»Und was hast du davon?«
»Die Hälfte.«
Andrea besaß einen Business-Plan und ein bisschen Geld. Eine kinderlose Schwester ihrer Mutter war vor anderthalb Jahren gestorben und hatte ihre vier Neffen und Nichten als Erben eingesetzt. Das Erbe bestand neben etwas Erspartem aus einem Chalet mit ein paar Ferienwohnungen in einem nicht sehr schneesicheren Winterkurort in den Voralpen, wo sie ihr halbes Leben zugebracht hatte. Die Erben hatten keinen Moment gezögert, das Chalet zu verkaufen. Nach allen Abzügen hatte jeder knapp achtzigtausend Franken erhalten, wovon Andrea wegen ihres häufigen Stellenwechsels nur noch gut die Hälfte geblieben war. Davon wollte sie einen Teil in
Love Food
investieren, wie sie die Firma jetzt schon nannte.
Sie würde die Geräte - vor allem den Rotationsverdampfer -, die Maravan fehlten, anschaffen, sie würde einen Grundstock Geschirr und Besteck besorgen, sie würde sich um die Kundenakquisition kümmern, sie würde ihren Golf gegen einen Kombi eintauschen, sie würde die Administration und den Service übernehmen und für den Anfang das Betriebskapital stellen.
Maravan würde das Know-how liefern.
So betrachtet war fifty-fifty mehr als fair, das musste auch Maravan zugeben.
Ein
Love Dinner
für zwei Personen würde tausend Franken kosten, zuzüglich der Getränke, vorwiegend und auf Anraten des Meisters Champagner, den sie zu Grossistenkonditionen beschaffen und zu Restaurantpreisen verkaufen konnte.
Maravan war mit allem einverstanden. Es war zwar nicht die Art von Catering, die er sich vorgestellt hatte. Aber Speisen zur Förderung des Liebeslebens von Ehepaaren - um solche würde es sich laut Andrea bei ihren Gästen handeln - waren in seiner Kultur nichts Verwerfliches. Und die Aussicht, viel Zeit mit Andrea zu verbringen, machte ihn glücklich.
»Und weshalb interessiert es dich?«, fragte er. »Du findest doch jederzeit wieder eine Stelle.«
»Es ist etwas Neues«, antwortete sie.
Über den Dächern stieg eine Rakete, wurde immer langsamer, blieb einen Augenblick stehen und fiel in rot verglühenden Schnüren zur Erde zurück. Man feierte den ersten August. Und die Gründung von
Love Food.
15
Es war erst das zweite Mal, dass Maravan in Andreas Wohnung kochte, aber schon hatten sie so etwas wie Routine. Er wusste, wo er alles finden konnte, und sie musste beim Tischdecken und Dekorieren keine Fragen mehr stellen. Jeder tat schweigend seine Arbeit, wie ein eingespieltes Team.
Der heutige Gast war Esther Dubois, eine Psychologin, die Andrea vor einiger Zeit in einem Club kennengelernt hatte. Sie war in Begleitung eines Mannes gewesen und hatte ihr trotzdem ganz unverhohlen Avancen gemacht.
Esther Dubois war eine renommierte Sexualtherapeutin, die ein paar Jahre lang in einer Zeitschrift für Frauen über vierzig eine vielbeachtete Sexkolumne betreut hatte. Sie war ebenfalls über vierzig, hatte ihr früh ergrautes Haar flammend rot gefärbt und war Stammgast auf den Leute-Seiten.
Andrea hatte sie in ihrer Praxis erreicht und keine große Mühe gehabt, sie zu sich einzuladen. »Zu einem aufregenden kulinarisch-sexualtherapeutischen Experiment«, wie sie sich ausgedrückt hatte.
Sie kam mit einer halben Stunde Verspätung und einem dicken Strauß weißer Arumlilien, weil sie, wie sie sagte, formal so gut zum Thema des Abends passten. Andrea stellte ihr Maravan mit den Worten vor: »Das ist Sri Maravan, ein großer Guru der erotischen Küche.«
Weder der Sri noch der Guru waren mit Maravan abgesprochen, und aus seiner Reaktion schloss sie, dass sie das vielleicht hätte tun sollen. Er reichte dem Gast mit einem verlegenen Lächeln die Hand und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
»Jetzt bin ich aber gespannt«, verkündete Esther Dubois, als Andrea sie in den abgedunkelten und in Kerzenlicht getauchten Raum führte. Sie machte es sich sofort bequem in den Kissen und fragte: »Keine Räucherstäbchen? Keine Musik?«
»Sri Maravan findet, beides lenke ab. Das eine vom Duft der Speisen, das andere von den Klängen des Herzens.« Auch das nicht abgesprochen. Sie nahm die Tempelglocke und klingelte. »Nur das erlaubt er mir.«
Die Tür ging auf, Maravan brachte ein Tablett mit zwei Gläsern Champagner und zwei Tellerchen Minichapatis. Während die beiden Frauen anstießen, träufelte er die
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