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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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jetzt legte sie ein Geständnis ab.
    Er hörte ruhig zu und sagte daraufhin: »Dann kann ich ja endlich mal wieder etwas anderes kochen.«
    »Und wo finde ich die Kunden für normales Essen?«
    Maravan antwortete: »Meine Essen sind nie normal.«
     
    Andrea hatte recht. Ohne die erotische Komponente war
Love Food
einfach eine kleine Cateringfirma mit dem Handicap, dass sie ihre Tätigkeit schwarz ausübte und auf Mundpropaganda angewiesen war. Aber wer machte Mundpropaganda für eine Firma, die niemand kannte? Sie brauchten einen Anfang.
    Andrea bemühte sich vergeblich um einen ersten Auftrag. Es war Maravan, der die naheliegende Idee hatte. »Warum machst du nicht einfach eine Einladung? Und wenn es allen geschmeckt hat, sagst du, dass wir das auch bei ihnen zu Hause machen können.«
    Sie stellte eine Liste zusammen aus den sozial aktivsten, finanziell bestgestellten, experimentierfreudigsten und kommunikativsten Mitgliedern aus ihrem Bekanntenkreis und kam auf zwölf. Darunter kein einziger Mann.
     
    Man schrieb den fünfzehnten November. In Washington trafen sich die zwanzig führenden Industrie- und Schwellenländer zum Weltfinanzgipfel und beschlossen eine Neuordnung der globalen Finanzmärkte. Die sri-lankische Armee setzte ihren Beschuss der Stadt Kilinochchi fort. Und der Schweizer Verteidigungsminister wurde von seiner eigenen Partei aus dem Amt gemobbt.
    Andrea war dabei, das Esszimmer zu dekorieren und den Tisch zu decken. Sie hatten beschlossen, mit Besteck und nicht mehr am Boden zu essen. Auch ein wenig indische Hintergrundmusik hatte Maravan bewilligt. Nur gegen Räucherstäbchen hatte er sein Veto eingelegt.
    Er stand in Andreas Küche und konnte endlich wieder einmal nach Herzenslust kochen. Er musste nicht auf die aphrodisische Wirkung der Speisen achten, sein Arsenal an Küchengeräten war gewachsen und setzte seiner Experimentierfreude kaum noch Grenzen. Seit zwei Tagen war er mit den Vorbereitungen beschäftigt.
    Das Menü bestand aus seinen experimentellen Versionen klassischer indischer Gerichte:
     
    Zimtcurrykaviar-Chapatis
    In Gelbwurz marinierte Babysnapper mit Molee-Curry-Sabayon
    Gefrorene Mangocurry-Espuma
    Koteletts vom Milchlamm in Jardaloo-Essenz mit Dörraprikosenpüree
    Buchenholzgeräuchertes Tandoori-Stubenküken auf Tomaten-Butter-Paprikagelee
    Kulfi mit Mangoluft
     
    Damit war es zwar etwas kleiner als der
Love-Food-
Klassiker, aber insofern aufwendiger, als bei jedem Gang kurz vor dem Servieren letzte Hand angelegt werden musste. Sechs Mal für zwölf Personen.
    Maravan war nervös wie ein Läufer vor dem Start. Und dass die ebenfalls nervöse Andrea alle paar Minuten hereinkam, machte es auch nicht besser.
    Im digitalen Wasserbad, einer Neuanschaffung von
Love Food,
garten bei exakt 65 Grad die Milchlammkoteletts, gemeinsam mit den Tandoori-Küken, einer anderen seiner Neuschöpfungen. Er war am Curry, das die Basis für den Molee-Sabayon bildete, die Zwiebeln, die er in seiner
tawa
im Kokosöl mit Chilis, Knoblauch und Ingwer anschwitzte, waren gerade honiggelb geworden, als Andrea wieder hereinkam.
    »Dass du nicht erfrierst am offenen Fenster.«
    Er antwortete nicht. Er hatte ihr schon zu oft erklärt, dass er nicht in einem Chaos von Gerüchen arbeiten konnte. Er musste seine Küche immer wieder durchlüften, damit er die Düfte trennen und präzise arbeiten konnte. Seine Currys kochte er nicht nach Mengenangaben, er kochte sie nach seiner Nase.
    Und diese Nase sagte ihm, dass genau jetzt der Moment gekommen war, Tomaten, Pfefferkörner, Nelke, Kardamom und Curryblätter hinzuzufügen.
    »Wenn du mal einen Moment Zeit hast, wäre ich froh, wenn du kurz rüberkommen könntest.«
    Er musste sie gereizt angesehen haben, denn sie sagte: »Nur kurz, bitte, ganz kurz.«
    Sie wartete, bis er ihr ins Esszimmer folgte.
    Die Sitzgruppe, die aus dem Raum ein Wohn-Ess-Zimmer gemacht hatte, hatten sie gemeinsam ins Büro gebracht, sonst hätte der Tisch für zwölf keinen Platz gehabt. Diesen und die Stühle hatte sie sich bei einem früheren Arbeitgeber geborgt, der am Stadtrand eine alternative Gartenwirtschaft betrieb. Jetzt war er mit verschiedenen indischen Tüchern bedeckt, die sie nun doch im Warenhaus mit der indischen Woche gekauft hatte. Über die ganze Länge lief ein Mittelstück aus zwei längsgefalteten weißen Tischtüchern. Darauf die zu einer Girlande arrangierten Orchideenrispen, wie man sie in Thai-Läden für wenig Geld kaufen konnte, unterbrochen durch

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