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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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aufgeklärt. Sie sagte auch jetzt nichts, und falls es nicht nötig war, wollte sie es auch später nicht tun.
     
    Er hätte es auch nicht erfahren, wäre diese Wendeltreppe nicht gewesen.
    Andrea trug die Platte mit den Ghee-Sphären in den oberen Stock. Auf halbem Weg trat sie auf den Saum ihres Saris. Anstatt die Platte fallen zu lassen und sich am Geländer festzuhalten, versuchte sie, das Gleichgewicht ohne Hände wiederzuerlangen, und übertrat sich den Fuß.
    Sie schaffte es zwar noch, den Gang zu servieren und in die Küche zurückzuhumpeln. Aber dann setzte sie sich auf einen Stuhl in der Küche und untersuchte ihr Fußgelenk. Es war schon ein wenig geschwollen. Maravan musste einspringen.
     
    Er trug das Tablett mit Tee und Konfekt die Treppe hinauf und klopfte.
    »Nur zu!«, rief eine Männerstimme.
    Maravan betrat den Raum. Das Kerzenlicht verlieh dem Meer von Rosarot einen goldenen Glanz. In den Kissen räkelte sich Alina. Als sie merkte, dass es nicht Andrea war, verdeckte sie ihre Brüste mit dem Unterarm und stieß ein mehr amüsiertes als erschrockenes »Oh!« aus.
    Der Mann saß mit dem Rücken zur Tür. Jetzt wandte er den Kopf und sagte: »He, he.« Auch sein Oberkörper war nackt.
    Maravan erkannte ihn. Es war Herr Meilinger, der erste
Love-Food-
Kunde. Einen Moment überlegte er, ob er wieder gehen und den beiden damit Zeit geben sollte, sich etwas anzuziehen.
    »Lass dich nicht stören«, sagte Alina. »Wir sind schon ganz gespannt.«
    Maravan stellte das Tablett auf die Tischplatte und räumte das Geschirr des letzten Gangs ab. Er gab sich Mühe, an den beiden vorbeizublicken, konnte aber dabei eine Herrenhose und einige rosa Wäschestücke nicht übersehen, die verstreut neben der Tafel lagen.
    »Weshalb hast du nichts gesagt?«, fragte er Andrea in der Küche.
    »Du hast diesmal nicht gefragt, ob sie verheiratet sind.«
    »Weil ich dachte, es sei selbstverständlich.«
    »Weshalb ist es so wichtig?«
    »Wenn sie verheiratet sind, ist es etwas Normales. Jetzt ist es etwas anderes. Jetzt ist es unanständig.«
    Andrea sah aus, als müsste sie sich zu einer Entscheidung durchringen. Dann sagte sie: »Darum ist es auch besser bezahlt. Wie alles Unanständige.«
     

NOVEMBER 2008

23
    Barack Obama hatte die Wahlen locker gewonnen. Ab nächstem Jahr würden die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte von einem farbigen Präsidenten regiert werden. Die Welt staunte, und Europa applaudierte fast noch frenetischer als das Land, das ihn gewählt hatte.
    Nur in Dalmanns Kreisen, den nationalen und internationalen, war man skeptisch. Man hatte bei den vergangenen zwei Präsidentenwahlen für die Republikaner gezittert und es auch diesmal wieder getan. Deren Wirtschafts-, Außen- und vor allem Finanzpolitik waren voraussehbarer und kompatibler.
    »Bad news«,
hatte Dalmann geantwortet, als Schaeffer ihn mit der Bestätigung dessen weckte, was sich schon am späten Abend abgezeichnet hatte.
    Die wirklich schlechten Nachrichten folgten aber ein paar Tage später: Die europäische Wirtschaft war erstmals hochoffiziell in die Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandprodukt der Eurozone war zum zweiten Mal gesunken.
    Für Dalmann das Signal, sich wieder vermehrt den Geschäften zuzuwenden, von denen er sich in den vergangenen Jahren nach und nach distanziert hatte.
    In der Bar des Imperial saßen vier Herren bei ihren Drinks. Der Pianist spielte seine Evergreens, dezent, doch laut genug, um vertrauliche Gespräche an den Tischen zu ermöglichen.
    Die Herren hatten im Huwyler gut gegessen und getrunken und genehmigten sich hier noch eine Nightcap. Bis zum Eintreffen der Damen.
    Vier unauffällige Erscheinungen in dunklen Anzügen, zwei Europäer, ein Amerikaner und ein Asiate. Dieser mochte um die fünfzig sein und trug eine große runde Brille. Alle nannten ihn, wie es in Thailand üblich war, bei seinem Spitznamen. Seiner war Waen, Brille.
    Sie unterhielten sich auf Englisch, einer mit thailändischem, zwei mit Schweizer und einer mit Südstaatenakzent.
    Der Amerikaner hieß Steven X. Carlisle. Steve besaß eine kleine Firma in Memphis, die sich mit Import-Export befasste. Unter anderem war er als Vermittler tätig für den Kauf und Verkauf von neuen und gebrauchten Produkten verschiedener Waffenschmieden seines Landes. Auch die Firma von Waen mit Sitz in Bangkok war auf diesem Gebiet tätig.
    Die beiden anderen Herren waren Eric Dalmann und Hermann Schaeffer, sein Mitarbeiter.
    Es war das erste Mal, dass

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