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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Schweizerdeutsch sprechenden Inderin - oder war sie keine? - Champagner serviert wurde, war ihm schon etwas mulmig zumute. Aber etwas kribbelig auch.
    Er würde mitmachen, bis es ihm zu bunt wurde, und dann stopp. So konnte ihm nichts passieren.
     
    Dass Makeda mit von der Partie war, war diesmal keine Überraschung. Sie hatte es ihr gesagt.
    Kurz nach Neujahr hatten sie ihren ersten Streit gehabt. Andrea hatte gesagt: »Bitte hör auf damit, ich verdiene genug für zwei.«
    Makeda hatte einen Lachanfall bekommen. »Ich glaube, ich höre nicht richtig«, hatte sie geseufzt, als er vorbei war. »Warum?« Andrea war beleidigt.
    »Dass ich das ausgerechnet von dir zu hören bekomme. Das ist sonst ein Männerspruch. Komm, ich rette dich vor diesem Leben, und du ziehst zu mir und kochst mein Essen und wäschst meine Socken. Ich glaube, du spinnst.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Du verdienst genug für zwei? Und was ist mit den anderen vierzehn? Meiner Familie in Addis Abeba?«
    Sie hatten das Thema begraben, aber Andrea fragte immer, was sie heute für einen Job habe. Sie hatte herausgefunden, dass es ihr weniger ausmachte, wenn sie es wusste. Sie brachte es so auf eine andere Ebene. Eine professionelle.
    Bei den
Love Dinners
war es allerdings nicht so einfach. Andrea wusste aus eigener Erfahrung, wie sinnlich sie machten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Makeda dabei die professionelle Distanz wahren würde. Aber darüber konnte sie mit ihr nicht reden. Sie hatte ihr, so viel sie einander auch anvertrauten, von dieser Episode noch nie erzählt.
     
    Wenige Tage nach dem Essen für Staffel und van Genderen meldeten sich Thevaram und Rathinam. Sie hätten Neuigkeiten, ließen sie Maravan wissen und fragten, ob sie vorbeikommen könnten.
    Bisher hatte jedes Treffen mit den beiden Geld gekostet. Also holte er tausend Franken hinter dem Altar von Lakshmi hervor und wartete auf das Klingeln.
    Die Neuigkeit war ein Auftrag. Maravan sollte für die TCA, die Tamil Cultural Association, das Pongal-Menü kochen.
    Pongal war das tamilische Erntedankfest. Ein wichtiges Fest und ein schöner Auftrag.
    Thevaram schlug ein Honorar von tausend Franken vor, die Maravan natürlich der guten Sache spenden sollte. Verdienen könnte er dann an den Folgeaufträgen, die ohne Zweifel daraus entstehen würden.
    Maravan hatte die Nase so voll von seiner anrüchigen Tätigkeit - Sexkoch hatte ihn kürzlich ein Kunde genannt -, und die Verlockung, ein normales tamilisches Festessen für normale tamilische Landsleute zu kochen, war so groß, dass er einwilligte.
    »Und Ulagu? Wisst ihr etwas?«
    Thevaram und Rathinam wechselten einen Blick. »Ach ja«, sagte Rathinam, »er wurde abgelehnt.«
    »Als Kämpfer?« Maravan schoss das Blut in den Kopf. »Nein, aber als Black Tiger.«
    Als die beiden gegangen waren, steckte Maravan den Tausender wieder hinter den Altar.
     
    Auf einem Gaskocher in einem neuen Tontopf, um den frischer Gelbwurz und Ingwer geschnürt war, kochten Reis und Linsen, Palmzucker und Milch. Die Familien saßen im Halbkreis davor. Alle trugen neue Kleider, die blumengeschmückten Frauen und Mädchen bunte Saris oder Punjabis.
    Plötzlich kochte das Gericht über, floss schäumend über den Topfrand und ließ die blauen Gasflammen gelb aufflackern.
    »Pongalo Pongal!«, riefen die Gäste.
    Maravan hatte den Milchreis zubereitet, aber an der Überkoch-Zeremonie konnte er nicht teilnehmen. Er war seit gestern in der Küche des Gemeindezentrums beschäftigt.
    Der tamilische Kulturverein hatte dort einen Saal gemietet und dekoriert. Ein paar Frauen waren von der Vereinsleitung abdelegiert, Maravan zu helfen. Sie taten es ehrenamtlich, aber ohne großes Engagement. Maravan hatte angesichts der vielen Gäste auch Gnanam aufgeboten, den Landsmann, der über ihm in der Mansarde wohnte und als Küchengehilfe arbeitete. Er brauchte jemanden mit Erfahrung und nahm dafür in Kauf, ihn aus der eigenen Tasche bezahlen zu müssen.
    Das Lüftungssystem der Küche funktionierte schlecht, und der Raum besaß keine Fenster. Es roch intensiv nach Linsen, Reis, Ghee, Chili, Kardamom, Zimt und dem für viele Pongalrezepte unvermeidlichen Hing, diesem seltsamen Kraut, das erst in der Pfanne seinen widerlichen Geruch verlor und deshalb auch Teufelsscheiße genannt wurde.
    Maravan kochte vier klassische vegetarische Pongalgerichte:
    Avial,
eine Paste aus zwei verschiedenen Sorten Linsen und Kokosnuss mit Hing und gemischten Gemüsen. Zitronenreis mit

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