Der Koch
einen machen.«
»Dann nehme ich auch einen.« Sie faltete die Hände vor dem Gesicht, verneigte sich kurz vor Lakshmi und setzte sich auf eines der Kissen.
Als Maravan mit dem Tee aus der Küche kam, saß Sandana noch genau so da, wie er sie verlassen hatte. Er setzte sich und hörte sich ihre Geschichte an. Er hätte sie erraten können:
Sandanas Eltern hatten sich vor einiger Zeit mit den Eltern eines jungen Mannes namens Padmakar - sie waren Vaishyas, wie sie - geeinigt, dass die beiden jungen Leute heiraten sollten. Die Kaste stimmte, das Vorleben und auch das Horoskop. Aber Sandana wollte nicht. Nun, da die Vermählung näherrückte, war der Streit darüber eskaliert. Bei der Auseinandersetzung, die Maravan an Pongal von weitem beobachtet hatte, war es um dieses Thema gegangen. Und das heute Abend war der Höhepunkt des Dramas. Sie hatte ein paar Sachen gepackt und war gegangen. Ihre Mutter hatte geweint, ihr Vater hatte immer wieder gesagt:
»Wenn du jetzt gehst, brauchst du nie mehr zurückzukommen.«
»Und jetzt?«, hatte Maravan am Ende des Berichts gefragt. Da hatte sie zu weinen begonnen. Er hatte dem eine kurze Zeit zugesehen, dann hatte er sich neben sie gesetzt und den Arm um sie gelegt.
Er hätte sie gerne geküsst, aber die Probleme, die sich daraus ergeben würden, waren durch die letzten Informationen nicht weniger bedrohlich geworden: Sie war eine Vaishya, er ein Shudra. Vergiss es.
Sie hatte aufgehört zu weinen, wischte die Tränen weg und maulte: »Dabei war ich noch nie in meinem Leben in Sri Lanka.«
»Seien Sie froh.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»So haben Sie kein Heimweh.«
»Haben Sie?«
»Immer. Mal mehr, mal weniger. Aber nie gar keines.« »Ist es wirklich so schön?«
»Wenn Sie auf den schmalen Straßen ins Landesinnere reisen, fahren Sie wie durch ein einziges großes Dorf. Die Straßen sind von Bäumen gesäumt, in ihrem Schatten sehen Sie die Häuser stehen, sehr geheimnisvoll, sehr geborgen. Manchmal ein Paddyfeld, dann wieder Bäume und Häuser. Manchmal eine Schulklasse in weißen Uniformen. Und wieder Häuser. Sie werden manchmal zahlreicher und dann wieder seltener, aber sie reißen nie ab. Wenn Sie denken, das war jetzt das letzte, kommt schon wieder das erste. Ein einziger bewohnter fruchtbarer tropischer Park.«
»Hören Sie auf. Ich bekomme Heimweh.«
Sandana schlief in Maravans Bett, bewacht von seinen Currybäumchen. Er selbst hatte sich aus den Kissen seines Essplatzes ein Bett gemacht. Sie hatten sich einen kameradschaftlichen Gutenachtkuss gegeben und waren keusch und bedauernd lange wach gelegen.
Am nächsten Morgen schreckte Maravan aus einem kurzen tiefen Schlaf. Die Tür zu seinem Schlafzimmer stand offen, das Bett war gemacht. Auf der Bettdecke lag ein Zettel. »Danke für alles - S.« Und eine Handynummer.
Die Reisetasche war noch da.
Maravan schaltete den Computer ein und ging ins Internet. Er konsultierte jetzt regelmäßig die Internetseiten der LTTE und die der sri-lankischen Regierung. Beiden war nicht zu trauen, aber zusammen mit den westlichen Medien und den Berichten der internationalen Organisationen konnte er sich ein ungefähres Bild über die Situation machen.
Die sri-lankischen Streitkräfte hatten Mullaitivu eingenommen und rückten weiter nach Norden vor. Die Tamil Tigers würden bald eingekesselt sein und mit ihnen nach Schätzungen der Hilfswerke etwa zweihundertfünfzigtausend Zivilisten. Beide Seiten beschuldigten sich, die Zivilbevölkerung als Schutzschild zu missbrauchen. In den hiesigen Medien war wenig oder nichts über die sich anbahnende humanitäre Katastrophe zu lesen.
Trotz dieser chaotischen Zustände hatte die Verbindungsstelle des Batticaloa-Basar wieder zu funktionieren begonnen. Noch während er vor dem Bildschirm saß, bekam Maravan einen Anruf des Basars. Er solle am nächsten Tag um elf Uhr vormittags die übliche Nummer anrufen. Seine Schwester wolle mit ihm sprechen.
Maravan machte sich auf schlechte Nachrichten gefasst.
Nach dem Frühstück wählte er Sandanas Nummer. Sie meldete sich nach langem Läuten.
»Ich kann jetzt nicht, ich habe Kunden«, sagte sie. »Ich ruf Sie in der Pause an.«
»Wann ist die Pause?«, fragte er. Aber sie hatte schon aufgelegt.
Also wartete er. Wartete und dachte an die Reisetasche, die neben seiner Matratze auf dem Boden lag, als gehöre sie von nun an da hin.
Was hatte Sandana vor? Wollte sie den Skandal wagen und bei ihm einziehen? Und: Wollte er das? Er kannte
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