Der Koch
jetzt bewusst: »Wir sprechen nicht mehr miteinander.«
Maravan sah, wie dem Mann die Tränen in die Augen schössen. Er legte ihm die Hand auf die Schulter. Der schüttelte sie wütend ab.
»Setzen Sie sich. Ich mach Ihnen einen Tee.« Er deutete auf den Stuhl vor seinem Monitor. Mahit setzte sich folgsam, verbarg das Gesicht in den Händen und schluchzte leise vor sich hin.
Als Maravan den Tee brachte, hatte sich Sandanas Vater erholt. Er bedankte sich und trank in kleinen Schlucken.
»Warum lässt sie uns im Glauben, sie wohne hier, und wohnt bei einer Freundin?«
»Sie will den Mann nicht heiraten, den Sie für sie ausgesucht haben.«
Mahit schüttelte ratlos den Kopf. »Er ist doch ein guter Mann. Meine Frau und ich haben lange gesucht. Wir haben es uns nicht leichtgemacht.«
»Die Mädchen hier wollen ihre Männer selbst aussuchen.«
Mahit brauste wieder auf: »Sie ist kein Mädchen von hier!«
»Aber auch keines von dort.«
Der Vater nickte, und wieder kamen die Tränen. Diesmal versuchte er nicht, sie wegzuwischen. »Dieser Scheißkrieg. Dieser verdammte Scheißkrieg«, schluchzte er.
Als er sich beruhigt hatte, trank er die Tasse leer, entschuldigte sich und ging.
38
Maravan war nicht mehr so bei der Sache wie früher. . Fast jeden Mittag, während er sich sonst ausschließlich auf die Essensvorbereitungen konzentriert hatte, ging er für eine Stunde weg. »Einen Happen essen«, wie er sagte.
Wenn er zurückkam, war er meistens gut aufgelegt, was er seit dem Abend, als er die Menüvariante gekocht hatte, lange Zeit nicht gewesen war.
Der Kunde von damals hatte kurz darauf noch einmal das gleiche Menü und eine andere Frau bestellt, aber Maravan hatte sich strikt geweigert. »Dafür ist das nicht gedacht«, hatte er Andrea geantwortet.
»Aber es habe wunderbar funktioniert, sagt der Kunde.« »Das war nicht die Absicht«, lautete die Antwort. Und damit war das Thema für ihn abgeschlossen.
Er wollte Andrea nicht erklären, was es damit auf sich hatte, und sie hatte auch nicht nachgebohrt. Es war ein heikles Thema. Sie wollte ihn nicht verstimmen. Sie war froh, dass er so gut drauf war in letzter Zeit.
Nur durch einen Zufall kam sie hinter den Grund für sein verändertes Verhalten: Sie hatte Makeda, die in Genf eine Buchung für den Teilnehmer einer UNO-Konferenz hatte, zum Bahnhof gebracht. Nach der Abfahrt des Zuges ging sie in eine Sandwichbar in der Bahnhofshalle. Und dort sah sie ihn.
Maravan saß an einem Tischchen mit einer hübschen Tamilin. Sie hatten nur Augen und Ohren füreinander.
Andrea zögerte einen Moment, aber entschloss sich dann doch, die Idylle zu stören. Sie trat an den Tisch und sagte: »Ich störe ungern.«
Das Mädchen sah zuerst sie und dann Maravan fragend an. Dem hatte es die Sprache verschlagen.
Andrea stellte sich vor. »Ich bin Andrea, Maravans Geschäftspartnerin.« Sie streckte die Hand aus, und die junge Frau ergriff sie mit einem erleichterten Lächeln. »Und ich bin Sandana.« Sie sprach Dialekt ohne die Spur eines Akzents.
Maravan bat sie nicht, sich zu setzen, und daher verabschiedete sie sich rasch wieder, »bis nachher« zu Maravan, »hat mich gefreut« zu Sandana.
Später, im Falkengässchen, sagte sie: »Warum führst du die Arme nicht in ein besseres Restaurant?«
»Sie arbeitet im Reisezentrum und hat nur eine kurze Mittagspause.«
Andrea lächelte. »Jetzt wird mir vieles klar: verliebt.«
Maravan sah nicht von seiner Arbeit auf. Er schüttelte nur den Kopf und murmelte: »Bin ich nicht.«
»Sie schon«, gab Andrea zurück.
Am nächsten Morgen sorgte eine weitere Wirtschaftsmeldung im Zusammenhang mit der Kugag für Aufsehen: Hans Staffel, immerhin einer der Manager des Jahres, war mit sofortiger Wirkung freigestellt worden. »Wegen unterschiedlicher Auffassungen in Bezug auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens.« Für die Kommentatoren war die Sache klar: Die Entlassung stand in Zusammenhang mit dem undurchsichtigen Entschluss des CEOs, mit einem der größten Konkurrenten ein Joint Venture einzugehen.
»Schau! Den kennen wir«, sagte Makeda und zeigte Andrea das offizielle Porträt, das Staffel in besseren Zeiten bei einem nicht ganz billigen Fotografen für den Geschäftsbericht hatte anfertigen lassen. Sie lagen im Bett. Andrea blätterte die Zeitungen durch, die sie gekauft hatte, als sie die Frühstücks-Croissants holte. Makeda sah ihr dabei zu, sie las kein Deutsch.
»Was ist mit ihm?«, fragte
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