Der Koch
Brief zurückgelassen, in dem er die Jugend beschwor, sich den Befreiungstigern anzuschließen.
Kurz vor der Hauptstadt trennten sie sich. Eine der Maschinen flog Richtung Luftwaffenstützpunkt Katunayake, das Ziel des anderen war das Luftwaffenkommando mitten in Colombo.
Um zwanzig nach neun wurde Colombo verdunkelt. Ein paar Sirenen waren zu hören.
Maravan befand sich gerade in einem tamilischen Lebensmittelgeschäft, als die Nachricht eintraf. Aus dem Hinterzimmer drang plötzlich Gejohle und Applaus. Der Inhaber kam in den Verkaufsraum gerannt und brüllte: »Wir haben Katunayake und Colombo bombardiert! Nichts ist verloren!«
Maravan hatte Sali-Reis, Langpfeffer und Palmzucker gekauft und wartete bei der Kasse, bis er zahlen konnte. Aber Kunden und Personal schwatzten wild durcheinander. Katunayake und Colombo! Bombardiert! Und die Armee sagt immer, die Tiger seien besiegt! Nichts ist verloren!
Maravan ging zum Ladeninhaber. »Total geschlagen, hat Rajapakse gesagt, total geschlagen!«, rief dieser mit sich überschlagender Stimme.
»Kann ich bitte bezahlen?«, sagte Maravan.
»Und Prabhakaran habe das Land verlassen! Keine Spur. Im Internet ist ein Foto von ihm mit den beiden Piloten! Ha!«
»Kann ich bitte bezahlen?«
»Freust du dich denn nicht?«
»Ich freue mich dann, wenn Frieden ist.«
Am nächsten Tag experimentierte Maravan bis spät in die Nacht mit Zimtrauch für seinen Smoker. Als er wieder einmal frische kalte Luft durch die Küchenbalkontür hereinließ, hörte er Jubel und Applaus über ihm. Er trat auf den Balkon und sah zum Fenster hinauf.
Auf dem Küchenbalkon der Wohnung neben ihm stand Murugan, der Familienvater, der seine Zigaretten auf dem Balkon rauchen musste, und sah ebenfalls hinauf.
»Noch ein Luftangriff?«, fragte Maravan.
»Slumdog Millionaire.«
»Slumdog Millionaire?«
»Ein Film über einen Jungen aus Mumbai, der in den Slums wohnt und in einer Fernsehshow eine Million gewinnt. Räumt Oscars ab wie verrückt. Und jedes Mal jubeln die Ratnams.«
»Die Ratnams sind doch keine Inder?«
»Mehr Inder als Schweizer, wie wir alle.«
Weder die Ereignisse in und um Sri Lanka noch die Oscarverleihung beschäftigten Dalmann. Er war ein Mann der Wirtschaft, und die lieferte weiß Gott genug Grund für Aufregung.
Seine Bank, für deren Genesung er jeden Abend Stoßgebete zum Himmel sandte, hatte bei der Regierung um Erlaubnis gebettelt, die Kundendaten von dreihundert amerikanischen Bürgern herauszugeben, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wurde. Das war der letzte Nagel am Sarg des Bankgeheimnisses.
Saab, der schwedische Autobauer, der der angeschlagenen General Motors gehörte, war pleite. Nicht, dass ihn das überraschte, er hatte nie viel übrig gehabt für diese fahrbaren Understatements für Intellektuelle, aber dass die Regierung es zugelassen hatte, gab ihm zu denken.
Deutschland hatte ein Konjunkturprogramm von fünfzig Milliarden Euro verabschiedet und die Neuverschuldung des Staates auf Rekordwerte geschraubt.
Und jetzt das:
Schaeffer klingelte ihn aus dem Bett, in dem er gerne noch ein wenig in Makedas Parfüm geschwelgt hätte.
Er ließ ihn eine Stunde warten und kam dann geduscht, rasiert und etwas zu wohlriechend ins Frühstückszimmer, wo sein Mitarbeiter vor einem Tee und zwei Apfelschalengirlanden saß.
»Was gibt's so Dringendes«, sagte Dalmann zur Begrüßung. Er ahnte, dass es keine Lappalie war. »Die Waffenausfuhrgegner.« »Was gehen die mich an?« »Sie haben Waen ausfindig gemacht.«
»Und?«
»Sie haben einen Tipp bekommen, dass er die in die USA zurückgeschickten Panzerhaubitzen gekauft hat.«
»Daran ist nichts Illegales, das weißt du so gut wie ich.«
»Aber sie haben herausgefunden, dass er an die Tamil Tigers liefert.«
»Das ist sein Problem.«
»Schön, dass du es so entspannt siehst.«
»Du nicht?«
»Sie werden es in ihrem Blättchen veröffentlichen, und irgendeine Spürnase unter unseren Journalistenfreunden wird herumbuddeln, und da ist es nicht auszuschließen, dass jemand auf dich stößt.«
»Im Zusammenhang mit Waen?«
»Im Zusammenhang mit Carlisle. Du hast ja bei seinem Kauf vermittelt.«
»Von mir aus.« Dalmann klang unbekümmert. Aber sie beide wussten, dass er es sich nicht leisten konnte, im Zusammenhang mit einem solchen Geschäft genannt zu werden.
Schaeffer erhob sich. »Ich wollte dich nur warnen.«
»Halt, nicht so hastig.«
Schaeffer setzte sich wieder.
»Was können wir
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