Der Koch
zuvor. Und was sie servierte, hatte nichts mit dem
Love Menu
zu tun, das sie kannte.
Gleich zu Beginn hatte sie eine Bemerkung über die Veränderungen gemacht und einen wütenden Blick eingefangen. »So oder nichts«, hatte er nur hervorgestoßen, und dann den ganzen Nachmittag und Abend nur noch das für den Servierablauf Nötigste gesprochen.
Der Kunde - ein Stammgast - war sichtlich enttäuscht, als sie den Gruß aus der Küche brachte. Es waren ein Löffelchen mit einer dunklen Paste neben einem Schnapsglas heißer Milch, die sie als »Urd-Linsen in heißer Milch« ankündigen musste. Aber die Frau, die er dazubestellt hatte, war neu und so begeistert, dass er sich nichts anmerken ließ.
Kurz bevor sie die Wohnung verließ - Maravan war fast ohne Abschied längst gegangen -, kam der Kunde in ein Frottiertuch gehüllt aus dem Zimmer, steckte ihr drei Zweihunderternoten zu und grinste: »Zuerst dachte ich, das sei die alternative Version des Menüs. Aber ich muss sagen: noch geiler. Kompliment an den Koch.«
35
Wieder hatte Maravan über zwei Stunden im Wartezimmer von Dr. Kerner verbracht. Die zerlesenen Zeitungen, die herumlagen, hatten alle das gleiche Titelthema: die bevorstehende Vereidigung des ersten schwarzen Präsidenten der USA, Barack Hussein Obama.
Das Ereignis war auch das Hauptgesprächsthema unter den Wartenden. Die Tamilen erhofften sich von ihm eine weniger regierungsfreundliche Sri-Lanka-Politik. Die Iraker einen baldigen Abzug der amerikanischen Truppen aus ihrer Heimat. Und die Afrikaner mehr Engagement in Simbabwe und Darfur.
Maravan beteiligte sich nicht am Gespräch. Er hatte andere Sorgen.
Als er endlich ins Sprechzimmer gebeten wurde, sah Dr. Kerner von Maravans Patientenkarte auf und fragte: »Wie geht's der Großtante?«
»Sie ist tot.«
»Tut mir leid. Sie haben Ihr Bestes getan. Was führt Sie zu mir?«
»Es geht nicht um mich, es geht um die Großtante. Das letzte Mal hatten Sie mich gefragt, ob ihr Herz in Ordnung sei. Weshalb?«
»Bei gewissen Kreislaufproblemen hätte sie das Minirin nicht nehmen dürfen. Es wirkt als Blutgerinnungsmittel. Es hebt die Wirkung von Blutverflüssigern auf und könnte so zu einem Schlaganfall oder Herzinfarkt führen. Woran ist sie gestorben?« »Herzinfarkt.«
»Und jetzt befürchten Sie, das Medikament könnte schuld daran gewesen sein. Nicht sehr wahrscheinlich. Da müsste sie schon eine Vorgeschichte mit Kreislaufproblemen gehabt haben.«
»Sie hatte einen Herzinfarkt. Vor zwei Jahren.« Dr. Kerner sah ihn nun doch etwas erschrocken an. »Das hätten Sie mir sagen müssen.« »Ich wusste es nicht. Sie hat es für sich behalten.«
36
Gegen Ende Januar sorgte eine kleine Meldung aus der Wirtschaft für Verwunderung in der Fachwelt. So sehr, dass ihr auch in der normalen Tagespresse etwas Platz eingeräumt wurde:
Die Kugag, die Firma, die mit Produkten auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien der Wirtschaftskrise trotzte, hatte bekanntgegeben, dass sie mit hoogteco, einem holländischen Unternehmen, ein Joint Venture eingegangen war.
Die hoogteco war der wichtigste Zulieferer Europas für die Sonnen- und Windenergie. Und der größte Konkurrent der Kugag.
Wer wusste - und einige der Kommentatoren wussten es -, wie rasend die Entwicklung auf diesem Gebiet voranschritt und wie sensibel das technische Wissen der Branche war, wunderte sich über diesen Schritt. Denn er war ohne Know-how-Austausch nicht denkbar.
Die Experten stellten offen die Frage, was diese Kooperation der kleineren, aber dynamischeren Kugag bringe. Ihre Forschungsabteilung galt als eine der weltweit führenden, ihre Produktionskapazität war vor kurzem zukunftsgerichtet ausgebaut worden, ihre Auftragsbücher waren voll, und die Analysten wussten von einigen erfolgversprechenden Produktneuerungen in der Pipeline.
Auch imagemäßig hatte die Kugag keine Probleme. Ihr CEO war vor kurzem in der Sparte »neue Technologien« zum Manager des Jahres gewählt worden.
Wenn jemand von diesem Deal profitierte, konnte es nur die hoogteco sein.
Der CEO der Kugag, Hans Staffel, sonst ein guter Kommunikator, fiel diesmal durch eine stümperhafte Informationspolitik auf. Es war die hoogteco gewesen, die mit der Meldung an die Öffentlichkeit gegangen war. Die Kugag verweigerte zuerst jeden Kommentar, ließ dann verlauten, die Sache sei noch nicht spruchreif, und hinkte dann mit einem spröden Kommunique hinterher, das die Meldung der Holländer voll und ganz
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