Der Koch
Makeda.
Andrea las den Text. »Rausgeschmissen.«
»Ich dachte, der sei so genial?«
»Hat irgendeinen Mist gebaut mit einer holländischen Firma.«
»Der, mit dem er damals ins Falkengässchen kam, das war doch einer?« »Was?« »Holländer.«
Maravan las die Zeitung aus einem anderen Grund: Über zehntausend seiner Landsleute hatten vor dem UNO-Gebäude in Genf demonstriert. Sie forderten ein sofortiges Ende der Militäroffensive.
Die Nachrichten aus Sri Lanka waren in den letzten Tagen immer dramatischer geworden. Das von der LTTE besetzte Gebiet war auf eine Enklave von knapp hundertfünfzig Quadratkilometer zusammengeschrumpft, in deren Mitte die Ortschaft Puthukkudiyiruppu lag. Kilinochchi, der Elephant Pass, die Hafenstädte Mullaitivu und Chalai waren in den Händen der Regierung. Nach Schätzungen des Roten Kreuzes waren zusammen mit den etwa zehntausend LTTE-Kämpfern zweihundertfünfzigtausend Menschen eingekesselt, die immer wieder unter Beschuss gerieten.
Während in Genf demonstriert wurde, feierte in Colombo die Regierung den einundsechzigsten Unabhängigkeitstag von Sri Lanka mit einer Militärparade. »Ich bin überzeugt, dass die Tamil Tigers in wenigen Tagen komplett geschlagen sein werden«, verkündete Präsident Mahinda Rajapakse. Er appellierte an alle Sri Lanker, die das Land wegen des Krieges verlassen hatten, zurückzukehren.
Die Regierung hatte nicht sehr echt wirkende Fotos veröffentlicht von einem zweistöckigen komfortablen Bunker, den der tamilische Kommandant Prabhakaran bewohnt und nun fluchtartig verlassen hätte. Es ging das Gerücht, er habe das Land verlassen.
Erst als er die Zeitung weglegte, sah Maravan das Bild des Mannes, den er letzten Monat in die Wohnung im Falkengässchen einlassen musste, weil Andrea Streichhölzer besorgte und der Gast zu früh gekommen war. Er las nur die Bildunterschrift.: »Gefeuert: Manager des Jahres Hans Staffel.«
Später am Vormittag, sie lagen immer noch im Bett, sagte Makeda unvermittelt: »Der hat ihn fotografiert.« »Wer?«
»Der Holländer. Als der Rausgeschmissene mit Cecile ins Nebenzimmer ging. Nach einer Weile stand der Holländer auf, holte etwas aus seinem Jackett, öffnete leise die Tür und blieb, bis ihn Cecile rausschickte.«
»Woher weißt du, dass er fotografiert hat?« »Cecile hat gerufen: >Ca suffit! Fotografieren kostet extra!<«
39
L
ove Food
kochte zur Abwechslung wieder einmal für ein Ehepaar. Die Kunden kamen noch aus dem Stamm von Esther Dubois, der Sexualtherapeutin. Ein etwas kunstgewerblerisches Paar Mitte vierzig, das sehr ernsthaft an seiner Beziehung arbeitete. Andrea hatte keine Ahnung, woher sie ihre Adresse hatten. Sie vermutete, dass sie von Esther Dubois' Patienten durch Mundpropaganda weitergegeben wurden, denn es kam immer wieder vor, dass sich Kunden aus diesem Umfeld meldeten.
Sie wohnten in einem Einfamilienhaus mit Gemüsegarten, und die Frau hatte sich von Maravan versichern lassen, dass er nur Zutaten aus biologischem Anbau verwende. Er hatte das bestätigt, obwohl er nicht für alle molekularen Texturgeber die Hand ins Feuer legen konnte.
Während der Vorbereitungen sagte Andrea: »Hast du gehört, dieser Staffel wurde entlassen.«
»Die Krise macht vor keinem halt.« »Makeda sagt, der Holländer habe ihn beim Bumsen fotografiert.«
»Ich will nicht wissen, was die dort drinnen tun.«
»Verstehst du nicht? Der hat ihn beim Bumsen fotografiert und mit den Fotos unter Druck gesetzt. Er soll plötzlich sehr seltsame Geschäftsentscheidungen getroffen und mit einer Konkurrenzfirma gemeinsame Sache gemacht haben.«
Auch dafür hatte Maravan nur ein Schulterzucken übrig. »Und rate mal, was die Konkurrenten für Landsleute sind.«
»Holländer?«, riet Maravan.
Maravan war nicht der einzige Verliebte in diesen Tagen. Auch Dalmann hatte, zum ersten Mal seit - er wusste nicht wie vielen - Jahren, sein krankes Herz verloren. Es befand sich jetzt im Besitz von einer, die damit nicht viel anfangen konnte: Makeda, Callgirl aus Äthiopien und ständige Begleiterin von Andrea, Geschäftsführerin von
Love Food.
Er buchte sie mehrmals pro Woche. Nicht, weil sein sexueller Appetit so unstillbar und seine sexuelle Leistungsfähigkeit so groß waren, in dieser Hinsicht spürte Dalmann sein Alter, sein Herz und den täglichen Medikamentencocktail. Nein, er fühlte sich einfach wohl in ihrer Gesellschaft. Er mochte ihren Sinn für Humor und ihre manchmal undurchschaubare
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