Der Köder
völlig hysterisch, außer sich, wedelte mit den Armen und stieß Klagelaute aus… möchte nicht wissen, wie sie sich aufgeführt hätte, wenn hier tatsächlich eine Leiche gelegen hätte.
Jedenfalls konnte ich sie schließlich beruhigen und nach draußen in den Streifenwagen bringen, aber inzwischen driftet sie heftig ab.
Muss wohl 'ne Pille genommen haben oder so. Ihr solltet euch lieber mit ihr unterhalten, bevor sie ins Koma fällt.»
«Hat sie hier drinnen irgendwas bewegt?»
«Möchte ich bezweifeln. Ich kann mir vorstellen, dass sie hier
reinkam, das Blut sah und sofort ausrastete. Sie rief von ihrem
Handy an und nicht vom Telefon drinnen. Ich glaube nicht, dass sie viel weiter gekommen ist als vor die Eingangstür.»
«Danke, Frankie. Sagen Sie der Haushälterin bitte, dass wir
gleich nach draußen kommen.»
«Wird gemacht.»
Langer ging hinüber zum Couchtisch und betrachtete sein
Spiegelbild auf dessen Oberfläche. «Da stimmt was nicht.»
McLaren trat neben ihn und musterte den Tisch ausführlich.
Stirnrunzelnd sagte er dann: «Okay, ich bin ganz Ohr. Ich sehe einen hübschen, glänzenden Couchtisch, keine Kratzer, kein Blut, keine
großen verschmierten Fingerabdrücke. Was ist mir entgangen?»
«Die Bücher auf dem Boden. Die gehören eigentlich auf den
Tisch.»
«Und? Willst du mir weismachen, dass jedes kleine Ding in
deiner Wohnung sich immer dort befindet, wo es hingehört?»
«Mein Gott, nein, nicht in meiner Wohnung. Aber in diesem
Haus? Ich glaube schon. Sieh dich doch nur in diesem Zimmer um.
Einzig und allein die Bücher befinden sich nicht an ihrem Platz,
Johnny.»
McLaren ließ den Blick nachdenklich durchs Zimmer schweifen.
«Ich muss zugeben, hier sieht es verdammt aus wie auf einem
Zeitschriftenfoto, oder?»
«Genau.»
«Bis auf das Sofa.»
«Und die Bücher auf dem Fußboden.»
McLaren seufzte und schob die Hände in die Taschen.
«Okay, dann wurden sie vielleicht beim Handgemenge vom
Tisch gestoßen.»
Langer schüttelte den Kopf. «In dem Fall würden sie verstreut
auf dem Boden liegen, zumindest ein wenig. Aber sieh sie doch an.
Sie sind beinahe perfekt gestapelt. Jemand hat sie vom Tisch
genommen und auf den Fußboden gelegt.»
«Dieser Jemand wäre der Killer.»
«Das vermute ich jedenfalls.»
Jimmy Grimms Kopf tauchte hinter dem Sofa auf, erschreckte
McLaren und strafte die allgemeine Auffassung Lügen, dass Grimm
keinen einzigen Ton mehr hörte, sobald er am Tatort Spuren sicherte.
«Mann, Jimmy, dich hatte ich schon ganz vergessen. Was tust du
denn da hinten?»
«Ich habe im Stoff das Loch gefunden, wo die Kugel ausgetreten
ist, und in Verbindung mit dem Einschussloch im Kissen sagt mir
der Laser, dass wir irgendwo im Bücherschrank da drüben die Kugel finden müssten.» Er linste hinüber zum Couchtisch und grinste
Langer an. «Gut kombiniert, Langer, das mit den Büchern. Sobald
ich hier fertig bin, packe ich sie zusammen und setze sie im Labor ganz nach oben auf die Liste.»
«Danke, Jimmy.»
McLaren kratzte sich über die roten Bartstoppeln, die auf seinen
unrasierten Kinnbacken sprossen. «Es ergibt immer noch keinen
Sinn. Jemand kommt hier rein, knallt den Kerl ab, der auf dem Sofa sitzt, dreht sich um, nimmt einen Stapel Bücher vom Couchtisch und legt sie auf dem Fußboden ab. Warum, zum Teufel, sollte jemand so was tun?»
«Gute Frage.»
Gertrude Larsen war ganz offensichtlich schon weit übers
Rentenalter hinaus, und sie sah Mitleid erregend aus, wie sie in ihrer schief hängenden, ausgeblichenen Strickjacke auf dem Rücksitz des Streifenwagens saß und zitterte, obwohl die Sonne das Wageninnere aufgeheizt hatte. Als Langer sich der offenen Autotür näherte, sah sie aus trüben, von den Beruhigungstabletten verschleierten Augen zu
ihm auf. Ein paar Tränen rannen in den Faltentälern ihrer Wangen
hinab, aber mit Emotionen schienen sie nicht verbunden zu sein.
Langer hatte diesen Gesichtsausdruck schon oft gesehen, bei den
ruhig gestellten Angehörigen von Mordopfern ebenso wie bei jungen Leuten, die auf dem Valium ihrer Eltern abgeflogen waren, aber das Zittern der alten Frau beunruhigte ihn. Er kniete neben dem Wagen nieder und berührte ihren Arm. «Wie geht es Ihnen, Ms. Larsen?»
Sie lächelte schwach und hob eine bebende, von Arthritis
gekrümmte Hand, um sie auf seine zu legen. Er konnte sich nicht
vorstellen, dass diese von Arbeit ausgemergelte Frau noch immer in der Lage war, zu fegen, zu scheuern und
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