Der Köder
einen Haushalt führen. «Ein bisschen besser.»
«Haben Sie etwas genommen?»
Sie nickte ein wenig verlegen und reichte ihm ein kleines
Medikamentenfläschchen. «Eine von den rosa Pillen.»
Langer öffnete die Flasche und zog die Augenbrauen hoch, als er
hineinsah. Da gab es rosa Pillen, blaue Pillen, gelbe Pillen und einen kleinen Haufen weißer gegen Sodbrennen. Die rosa Tabletten sahen
aus wie Xanax, das Medikament gegen Angstzustände, aber sicher
war er sich nicht.
«Ich nehme eine von den Pillen, wenn mich etwas zu sehr
aufregt», erklärte sie.
«Ich verstehe.» Langer merkte sich die Krankenhausadresse, die
auf dem Fläschchen stand, und gab es ihr zurück. Sie verstaute es in einer typischen Alte-Damen-Handtasche mit einem Bügelverschluss
aus Metall. «Fühlen Sie sich in der Lage, mir einige Fragen zu
beantworten?»
Sie nickte müde und tupfte sich die Augen mit einem feuchten
Spitzentaschentuch ab.
Langer ging überaus rücksichtsvoll mit der alten Frau um und
befragte sie sozusagen in Zeitlupe. Er erfuhr, dass sie seit
zweiunddreißig Jahren Arien Fischers Haushälterin war. Dreimal die Woche kam sie mit dem Bus und noch einmal sonntags morgens,
ebenfalls mit dem Bus, um ihm zu helfen, sich für den 9-Uhr-
Gottesdienst in St. Paul of the Lakes Lutheran bereitzumachen. Sie wurde anständig entlohnt, hatte sich um ihn gekümmert wie um
einen Bruder und konnte sich nicht vorstellen, wer ihm etwas zuleide tun wollte. Ja, diese Bücher gehörten auf den Couchtisch, zusammen mit einem sehr hübschen Tischläufer, den sie ihm zu seinem
achtzigsten Geburtstag geschenkt hatte, und, nein, sie hatte nichts angefasst oder gar weggenommen.
«War der Tischläufer sehr wertvoll?»
«Nun, man findet nicht oft welche mit Vögeln, und besonders
nicht mit Rotkehlchen. Ja, er war recht teuer, achtzig Dollar plus Steuer.» Sie beugte sich näher zu ihm und gestand im Flüsterton:
«Aber ich habe ihn beim Räumungsverkauf bekommen. Neunzehn
neunundneunzig.»
Langer lächelte sie an. «Ein echtes Schnäppchen.»
«Das auf jeden Fall.»
Langer bedankte sich bei ihr, gab ihr seine Visitenkarte und bat
dann Frankie, sie ins Hennepin County Medical Centre zu fahren, bei ihr zu bleiben, bis man sie untersucht hatte, und sie dann
heimzufahren.
Frankie seufzte unglücklich. «Weißt du, was dort sonntags in der
Notaufnahme los ist?»
Langer reagierte mit einem Schulterzucken und bat um
Verständnis: «Sie lebt allein, Frankie, sie dosiert ihre Medikamente selbst, und sie zittert noch immer, obwohl es im Wagen heiß ist wie in einer Sauna. Ich mache mir Sorgen, dass sie unter Schock steht.»
«Okay, okay, aber du hättest lieber Missionar oder so was
werden sollen.»
Langer und McLaren standen in der Auffahrt und sahen dem
Streifenwagen nach.
«Also, was denkst du?», fragte McLaren. «Dass der Killer die
Bücher auf den Boden gelegt hat, um einen Tischläufer im Wert von zwanzig Dollar zu stehlen?»
«Vergiss bitte nicht, dass Rotkehlchen drauf waren. So was findet man nicht so oft.»
«Scheiße, Langer, versuchst du etwa, witzig zu sein?»
«Vielleicht.»
«Na, dann lass lieber. Du machst mir nämlich Angst.»
Eine Stunde später waren Jimmy und sein Team noch immer an
der Arbeit, kamen aber langsam zum Ende. Langer und McLaren
fanden Jimmy der Länge nach auf dem Fußboden im Wohnzimmer.
Mit Maßband und Notizbuch bewaffnet trug er Zahlen ein.
«He, Jimmy», sagte McLaren so gut gelaunt, wie es ihm nach
einem Sonntagmorgen am Schauplatz eines Mordes gelang. «Hast du
die Lösung gefunden?»
Grimm reagierte mit einem müden Grinsen und kam mit Mühe
auf die Beine. «Im Moment bin ich noch nicht einmal sicher, ob wir es überhaupt mit einem Mord zu tun haben. Versucht beim nächsten
Mal, eine Leiche zu liefern, Jungs. Das würde die Sache erheblich erleichtern. Habt ihr schon Rückmeldungen aus den Krankenhäusern
bekommen?»
McLaren blätterte in seinem Notizbuch. «Ja. Die einzigen
Schusswunden, die letzte Nacht gemeldet wurden, hat man bei zwei
sechzehnjährigen Gangmitgliedern festgestellt, die sich gegenseitig mit 22ern abknallen wollten. Haben nicht mehr als ungefährliche
Fleischwunden hingekriegt und ganz bestimmt keinen
Arterientreffer…»
«Ein 22er war's sowieso nicht.» Jimmy hielt einen kleinen
Plastikbeutel in die Höhe, in dem sich ein Projektil befand. «45er und ein paar gut erkennbare Züge drauf.»
«45er, hm? In dem Fall hat derjenige, der hier
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