Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie
Chemiewaffen hergestellt, darunter die berüchtigten Kampfgase. Biologen hatten die Auswirkungen von großer Höhe und Salzwasseraufnahme auf den Körper studiert. Selbst Mathematiker, die Erzbischöfe des Arkanen, waren in den Dienst genommen worden und mussten geheime Militärcodes dechiffrieren.
Das unbestrittene Kronjuwel der Forschung im Kriegsdienst war natürlich die Atombombe, das Ergebnis des unter Leitung des OSRD durchgeführten Manhattan Project. Am 7. August 1945, am Tag nach dem Abwurf der Bombe auf Hiroshima, schwärmte die New York Times vom außerordentlichen Erfolg des Projekts: »Universitätsprofessoren, die dagegen sind, 7 Forschung nach Art der Industrielaboratorien zu organisieren, zu planen und zu leiten … werden nun ins Grübeln kommen. Ein Meilenstein der Forschung wurde im Auftrag des Militärs mit genau den Methoden erreicht, wie sie in den Forschungsabteilungen der Industrie gang und gäbe sind. Ergebnis: Innerhalb von drei Jahren wurde der Welt eine Erfindung beschert, auf die sie vielleicht ein halbes Jahrhundert hätte warten müssen, wenn wir auf Primadonnenforscher angewiesen wären, die allein arbeiten … Ein Problem wurde formuliert und in Teamarbeit, durch Planung und kompetente Leitung gelöst, nicht durch den bloßen Wunsch, die eigene Neugier zu befriedigen.«
Der selbstgefällige Tonfall dieses Leitartikels spiegelte eine verbreitete Geisteshaltung gegenüber der Wissenschaft wider. Das Manhattan-Projekt hatte das herrschende Modell wissenschaftlicher Entdeckung auf den Kopf gestellt. Die Bombe war nicht von steifen Universitätsprofessoren erfunden worden, von »Primadonnen«, wie die Times verächtlich formulierte, die auf der Suche nach obskuren Wahrheiten umherirrten (getrieben von dem »bloßen Wunsch, die eigene Neugier zu befriedigen«), sondern von einem Sondereinsatzkommando der Forschung, das ausgesandt war, um eine konkrete Mission zu erfüllen. Ein neues Modell wissenschaftlichen Arbeitens war entstanden – Forschung mit spezifischen Aufträgen, Zeitvorgaben und Zielen (Wissenschaft als »Frontalangriff«, um die Formulierung eines Wissenschaftlers zu verwenden), die den bemerkenswerten technologischen Boom in den Kriegsjahren bewirkt hatte.
Aber Vannevar Bush war nicht überzeugt. In einem richtungsweisenden Bericht an Präsident Truman, der unter dem Titel Science, the Endless Frontier 8 1945 erstmals erschien, hatte Bush eine Auffassung von der Nachkriegsforschung dargelegt, die sein eigenes Modell von der Forschung zu Kriegszeiten auf den Kopf stellte: »Grundlagenforschung«, schrieb Bush, »wird ohne einen Gedanken an praktische Ziele betrieben. Ihr Zweck sind die Erweiterung des allgemeinen Wissens und das Verständnis der Natur und ihrer Gesetze. Aus dem allgemeinen Wissen ergeben sich dann die Mittel und Wege, die nötig sind, um eine Vielzahl wichtiger praktischer Fragen zu beantworten, auch wenn sie vielleicht keine vollständige spezifische Antwort auf jedes einzelne Problem liefern …
Grundlagenforschung führt zu neuem Wissen. Sie bildet wissenschaftliches Kapital. Sie baut den Grundstock, aus dem die Nutzanwendungen des Wissens abgeleitet werden … Grundlagenforschung ist der Friedensstifter technologischen Fortschritts. Im neunzehnten Jahrhundert beförderte der mechanische Einfallsreichtum der Yankees, der weitgehend auf grundlegenden Entdeckungen europäischer Wissenschaftler aufbaute, die technischen Künste in erheblichem Maß. Heute ist die Situation anders. Eine Nation, die auf andere angewiesen ist, um ihr Grundlagenwissen zu erweitern, schreitet ungeachtet ihrer mechanischen Fähigkeiten in der industriellen Entwicklung zwangsläufig langsamer voran, und ihre Wettbewerbsposition im Welthandel ist schwach.«
Zielgerichtete Forschung – »programmatische« Wissenschaft –, die während der Kriegsjahre das Mittel der Wahl gewesen sei, argumentierte Bush, sei kein tragfähiges Modell für die Zukunft der amerikanischen Wissenschaft. Nach Bushs Ansicht verkörperte sogar das vielgerühmte Manhattan-Projekt die Tugenden der Grundlagenforschung. Gewiss, die Bombe sei das Ergebnis von »mechanischem Einfallsreichtum der Yankees«. Der aber stehe auf den Schultern wissenschaftlicher Erkenntnisse über das Wesen des Atoms und die darin liegende Energie, und die Forschung, die diese Erkenntnisse erbracht habe, sei in erster Linie ohne das Mandat durchgeführt worden, irgendetwas der Atombombe Ähnliches zu erzeugen. Zwar sei die Bombe
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