Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie
Forschungsgeldern ausgestattet wäre und unter strenger Aufsicht stünde – ein zielorientiert arbeitendes Institut, das entschlossen seinen Zweck verfolgte, die Heilung von Krebs. Die Bemühungen auf nationaler Ebene, fand Mary Lasker, hätten sich verzettelt, seien zu sehr auf Einzelfälle ausgerichtet und abstrakt geworden. Um die Kampagne zu verjüngen, brauchte sie das geistige Vermächtnis von Albert Lasker: eine zielgerichtete Strategie nach dem Vorbild der Geschäftswelt und der Werbung.
Auch Farbers Leben kollidierte mit Krebs – womit er seit gut zehn Jahren wohl gerechnet hatte. Ende der vierziger Jahre hatte er eine mysteriöse, chronisch entzündliche Erkrankung des Darms bekommen – wahrscheinlich Colitis ulcerosa, eine kräftezehrende, präkanzeröse Erkrankung, die den Dickdarm und den Gallenweg anfällig für Krebs macht. Um die Mitte der fünfziger Jahre (den genauen Zeitpunkt wissen wir nicht) unterzog sich Farber einem chirurgischen Eingriff, um sich im Mount Auburn Hospital seinen entzündeten Dickdarm entfernen zu lassen; für die kleine Privatklinik in Cambridge, jenseits des Charles River, entschied er sich vermutlich deshalb, weil er seinen Kollegen und Freunden vom Universitätsklinikum die Diagnose und den Eingriff zu verheimlichen suchte. Möglich ist auch, dass während der Operation mehr als nur eine »Präkanzerose« festgestellt wurde, denn in späteren Jahren sprach Mary Lasker von Farber als einem »Krebsüberlebenden«, ohne je die Art seiner Erkrankung preiszugeben. Stolz, zurückgezogen, verschlossen und nicht gewillt, seinen Kampf gegen den Krebs mit dem Kampf zu verknüpfen, lehnte Farber es explizit ab, sich öffentlich über seinen Fall zu äußern. (Thomas Farber, sein Sohn, äußerte sich ebenfalls nicht. »Ich bestätige nichts, und ich bestreite nichts«, sagte er, räumte aber ein, dass sein Vater »in seinen letzten Jahren im Schatten von Krankheit lebte« – eine Zweideutigkeit, die ich so stehen lassen will.) Der einzige Hinweis auf die Darmoperation war der Kolostomiebeutel, den Farber bei der Visite im Krankenhaus geschickt unter Hemd und Anzug verbarg.
Obwohl Farber sich in Schweigen hüllte und nichts nach außen dringen ließ, veränderten sich auch bei ihm der Ton und die Dringlichkeit seiner Kampagne durch die persönliche Erfahrung mit Krebs. Wie bei Lasker war Krebs nicht mehr etwas, das andere betraf; auch über Farber war der dunkle Schatten des Krebses hinweggegangen. »Wir müssen nicht«, schrieb er, »die Lösung für sämtliche Probleme der Grundlagenforschung haben, um große Fortschritte bei der Heilung von Krebs zu erzielen … die Medizingeschichte ist voll von Beispielen für Heilungen, die Jahre, Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte erfolgten, bevor deren Wirkmechanismen vollständig aufgedeckt waren.«
»Krebspatienten, die dieses Jahr sterben werden, können nicht warten«, beharrte Farber. Das galt auch für ihn und Mary Lasker.
Mary Lasker war sich bewusst, wie viel auf dem Spiel stand: Die vorgeschlagene Strategie der Laskeriten stand in diametralem Gegensatz zum vorherrschenden Modell biomedizinischer Forschung in den fünfziger Jahren. Dessen Hauptarchitekt war ein großer, hagerer, am MIT ausgebildeter Ingenieur, Vannevar Bush, der das Office of Scientific Research and Development (OSRD) geleitet hatte. Die 1941 gegründete Behörde hatte in den Kriegsjahren eine wichtige Rolle gespielt, weil sie alle militärischen Forschungsprogramme koordinierte und den wissenschaftlichen Einfallsreichtum auf das erklärte Ziel der Erfindung neuartiger Militärtechnik hin kanalisierte. Zu diesem Zweck hatte die Behörde Wissenschaftler angeworben, die Grundlagenforschung für so genannte »programmatische Forschung« betrieben. Wahre Grundlagenforschung, die breit gefächerte, ergebnisoffene Untersuchung fundamentaler Fragen, war ein Luxus für Friedenszeiten. Der Krieg erforderte zielorientierteres Vorgehen. Neue Waffen mussten hergestellt, neue Techniken gefunden werden, um die Soldaten auf dem Schlachtfeld zu unterstützen. Der Zweite Weltkrieg war zunehmend von Militärtechnologie durchdrungen – »Hexenmeisterkrieg«, schrieben die Zeitungen –, und ein Stab von Zauberern aus der Wissenschaft war nötig, damit Amerika ihn gewann.
Die »Hexenmeister« hatten erstaunliche technische Wunder gewirkt. Physiker hatten das Sonar, das Radar, funkgesteuerte Bomben und Amphibienfahrzeuge erfunden. Chemiker hatten äußerst wirkungsvolle, tödliche
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