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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Hinter seiner Vorliebe für die Gestalt des keltischen Zauberers Merlin,
der es einzurichten weiß, daß Artur geboren werden wird und dann, als sich
dieser als »wahrer König« erweist, zu Arturs Mentor und grauer Eminenz wird,
steht der Wunsch nach einem »Seelenführer« (Heinrich Zimmer) ähnlicher Art in
Momenten, in denen
er, White, von Angstphantasien und sadistischen Schüben heimgesucht wurde.
    Diese Konstellation führt dazu, daß das
Hauptthema des »Book of Merlyn« das Problem der Aggression ist. Es muß gelöst
werden, soll sich die menschliche Welt nicht in eine barbarische verwandeln,
soll es überhaupt noch eine Zukunft für das Menschengeschlecht geben. Indem
White mit dem Wissen erzählt, daß diese Frage schon im 5. Jahrhundert n. Chr.
akut war, daß sie das ganze Mittelalter hindurch akut blieb und heute erst
recht wieder akut ist, indem beispielsweise Mordreds Heer als ein Haufen
nazi-ähnlicher Schläger bezeichnet wird, entsteht ein zeitloser Raum, eben die
mit Wort-Magie erzeugte Zeit dieser spezifischen Erzählung, und White wird,
über den Merlin von damals mit dem Wissen von heute erzählend, zu einem
modernen Merlin. In einer höchst unterhaltsamen Mischung aus Ironie und Gelehrsamkeit
teilt sich ein Geschichtsbewußtsein mit, daß das unsere ist, oder von dem der
Autor doch wünschte, welches das unsrige wäre. Es schließt das Wissen um
Methoden zum Aufspüren destruktiver Störungen in der Psyche des Individuums
ebenso ein wie die Erfahrung von zwei Weltkriegen, die Entstehung totalitärer,
menschenfeindlicher Regime aus Heilslehren und die Massenvernichtung und
Ausrottung ganzer Völker durch den Menschen. Es stellt den Glauben an den
Fortschritt der Menschheit radikal in Frage und rückt an dessen Stelle ein
Lebensgefühl, das man als Mut und unbeirrbare Tapferkeit angesichts des
Absurden umschreiben könnte.

KAPITEL 3
     
     
    Wir haben jenen Bericht über Merlins
Kindheit einer Version der Geschichten um Merlin und Artur entnommen, die der clerc
lisant, ein »gelehrter Schreiber«, Robert Wace 1155 in seinem »Roman de
Brut« überliefert. Der Tonfall ist hier schon halb der einer Romanze:
Historisches vermischt sich mit Legendär-Sagenhaftem. Das große Thema, der
Generalbaß all dieser Geschichten, die archetypische Komponente, die sie
enthalten und die wahrscheinlich auch bewirkt, daß sie variiert das ganze
Mittelalter hindurch in West- und Mitteleuropa weiter erzählt werden, wird
gerade an diesem Text besonders anschaulich.
    Eine Welt voller Krieg, Gemeinheit und
Aggressionen, eine Welt, deren Mächtige nicht in der Lage sind, Frieden und
eine gerechte Ordnung durchzusetzen und zu erhalten, wartet auf einen »guten
König«, auf einen, auf dem sichtbar Gottes Gnade ruht, dessen Autorität nicht
nur die der Macht, sondern die der geistigen Ordnung ist. Merlin, ein Kind, von
dem man nicht weiß, wer der Vater ist, geboren von einer Jungfrau wie Jesus,
erweist sich in dieser Zeit der Wirren als in besonderem Maße inspiriert.
    Obwohl noch ein Kind oder ein Jüngling,
beschämt Merlin durch seine Einsicht die Weisesten im Land. Und er prophezeit
jenen guten Herrscher und Friedensfürsten, prophezeit in argen Zeiten, daß die
Utopie Wirklichkeit werden wird.
    Es ist nicht unwichtig, zu welcher Zeit
der europäischen Geschichte dieser Text verfaßt wird. 1155. Das gefährliche
Jahr 1000, das so viele endzeitliche Erwartungen hervorrief, liegt noch im
Bereich des genaueren geschichtlichen Erinnerungsvermögens des Schreibenden.
Die Welt ist nicht untergegangen. God bless! Prophezeiungen sind in Hinblick
auf dieses Ereignis in ganz Europa populär geworden.
    Immer haben Autoren, die Geschichte
schrieben, für ihre Gegenwart nach Parallelen in der Vergangenheit gesucht.
Wace, der Kanonikus von Bayeux, schreibt über das 5. Jahrhundert in England.
Wahrlich auch jene Zeit, zu der das absolute Chaos, das Ende jedes kulturellen
und zivilisierten Lebens, denkbar schien. Die einheimischen Herrscher und
Herren – unfähig und uneins. Vom Kontinent her drohen Einfalle der barbarischen
Sachsen, im Norden die Pikten und Schotten, immer bereit, über das Reich der
Briten herzufallen.
    Wie sieht die historische Wirklichkeit
aus, in der aus keltischem Märchenglauben und geschichtlichem Faktum jene
aufeinander bezogenen Gestalten, Merlin und Artur, die das ganze Mittelalter
hindurch die Phantasie der abendländischen Welt beschäftigen werden?

KAPITEL 4
     
     
    Als die Legionen des

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