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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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deines Vaters zu nennen. Du kennst ihn nicht, wirst ihn nie kennen,
denn wie soll ein Sohn seines Vaters Namen nennen, wenn er gar keinen Vater
gehabt hat.«
    Als nun die Männer aus dem Gefolge des
Königs das hörten, fragten sie die Umstehenden, ob es zutreffe, daß dieser Junge
da seinen Vater nie zu Gesicht bekommen habe.
    Die Leute bestätigten das. Ja, erzählten
sie, die Mutter, die ihn in ihrem Leib getragen, behauptete, nie habe ein Mann
seinen Samen in sie gesät.
    Aber wenn man auch seinen Vater nicht
kenne, so wisse doch alle Welt, welche Mutter ihn an ihren Brüsten gesäugt
habe. Die Tochter des Königs von Dimetia sei es, nun vertrieben aus Wales. Eine
Nonne sei sie, eine vornehme Frau, die ein heiliges Leben führe und in einem
Kloster wohne, das in den Mauern dieser Stadt liege. Als die Räte des Königs
das hörten, gingen sie auf der Stelle zur Obrigkeit dieser Stadt und hießen
sie, diesen Merlin festzunehmen und ihn auf der Stelle zusammen mit seiner
Mutter zum König zu schaffen. Man lieferte also Merlin und seine Mutter den
Räten aus, und diese nahmen sie mit, zu ihrem Herrn. Der König hieß sie mit
viel Ehren willkommen und sprach freundlich mit ihnen.
    »Weib«, sagte er, »antwortete mir
wahrheitsgemäß. Niemand außer dir kann uns sagen, wer der Vater deines Sohnes
Merlin ist.«
    Die Nonne verbeugte sich. Nachdem sie eine
Weile nachgedacht hatte, gab sie dies zur Antwort: »Gott ist mein Zeuge und
wird mich schützen und erhalten, aber ich kenne den, der dieses Kind gezeugt
hat, nicht, noch habe ich ihn je gesehen. Nie hab ich ergründen können, ob es
ein menschliches Wesen war, das mich mit diesem Kind schwanger werden ließ. Und
dies ist die Wahrheit, und so seltsam sie auch klingen mag, ich bin bereit sie
zu beschwören. Zu jener Zeit, als ich ein junges Mädchen war, kam oft zu mir ein
Geisterwesen in die Kammer und küßte mich innig. Bei Nacht und bei Tag suchte
es mich heim, doch immer so, daß man es nicht sehen konnte. Als Mann sprach er
süße Schmeichelworte. Je öfter dieses Wesen mich besuchte, desto stürmischer
wurden seine Küsse. Es beruhte meine Brüste, meine Schenkel und dann beschlief
es mich, und ich wurde schwanger. Aber ob es ein irdischer Mann war oder was
sonst, das weiß ich nicht. Endlich gebar ich dieses Kind. Mehr habe ich nicht
zu sagen.«
    Nun hatte der König einen Schreiber namens
Malgantius, den er für sehr gescheit hielt. Er schickte nach diesem gelehrten
Schreiber und erzählte ihm von der Angelegenheit, und darauf verlangte er von
Malgantius zu wissen, ob sich die Dinge so zugetragen haben könnten, wie die
Frau berichte. Der Schreiber antwortete dies: »In Büchern habe ich geschrieben
gefunden, daß es eine bestimmte Art von Geistern gibt, die sich in dem Raum
zwischen dem Mond und unserer Erde bewegt. Wenn man nun versucht, die Natur
dieser Wesen zu ergründen, so stellt man fest, daß sie teils menschlich, teils
geisterhaft sind. Diese Dämonen nennt man Incubi. Ihr Aufenthaltsort und ihr
Reich ist die Luft, aber manchmal nehmen sie Zuflucht auf der warmen Welt. Es
steht nicht in ihrer Macht, Menschen größeres Leid zuzufügen. Sie können nicht
viel mehr ausrichten, als ihnen Streiche spielen und Ärger zu stiften. Jedoch
verstehen sie es ausgezeichnet, sich als Menschen zu verkleiden. Ihre Natur ist
für solche Täuschung wie geschaffen. Manch Mädchen hat mit ihnen Umgang gehabt
und, ist von ihnen getäuscht worden. Schon möglich, daß Merlin von einem
solchen Wesen gezeugt worden ist, er also von einem Dämonen abstammt.«
    »König«, rief Merlin plötzlich, »du hast
mich hierher bringen lassen. Sag mir nun, was du von mir willst?« »Merlin«,
antwortete der König, »das wirst du gleich erfahren. Hör aufmerksam zu, was ich
dir jetzt erzähle. Ich begann damit, einen hohen Turm bauen zu lassen. Ich ließ
Mörtel mischen, und die Maurer setzten einen Stein auf den anderen. Aber wie
fleißig auch meine Leute arbeiteten, kaum war es dunkel geworden, da stürzte
alles wieder ein und bei Nacht verschlang es die Erde. Der Tag hat nicht so viele Stunden um
zu bauen, wie nächtens wieder zerstört wird. Viel Mühe und Kraft haben wir auf
die Sache verwendet. Meine Räte behaupten, der Turm werde nicht fertig gestellt
werden können, wenn man nicht den Mörtel mit Blut anrühre… mit dem Blut eines
Menschen, der keinen Vater hat.«
    »Herr im Himmel!« rief Merlin, »du glaubst
ihnen doch nicht etwa. Ich zeihe jene, die solchen Unsinn

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