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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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alles kaputt, genau wie vorhin. Doch dann fiel ihm ein, dass Katya ohnmächtig auf dem Sofa lag, und er wurde sich der Ungerechtigkeit seiner Reaktion bewusst. Es war richtig, dass Franz sie störte. Das Mädchen konnte nicht hierbleiben. Sie musste ins Bett gebracht werden. Zeit für Romantik würde es später noch genug geben.
    »Es tut mir leid, Franz. Ich habe dich nicht gesehen«, sagte er gefasst. »Ich wollte gerade nach dir suchen und dir sagen, dass es Katya gutgeht. Vanessa war so freundlich, sich um sie zu kümmern.«
    Franz nickte Vanessa zu, ohne etwas zu sagen. Es war eine förmliche Geste, wie wenn man beim Militär salutiert, ohne jede persönliche Beteiligung.
    »Ich bringe sie nach oben«, sagte er und ging zu Katya hinüber. Doch bevor er sie hochheben konnte, hob Titus die Hand.
    »Nein, Franz. Ich denke, das ist meine Aufgabe.«
    Franz zuckte zusammen und trat zurück, als hätte man ihn geschlagen. Vanessa wunderte sich über seine Empfindlichkeit, aber wahrscheinlich wollte er nur nicht in ihrem Beisein herumkommandiert werden.
    Erneut konnte Vanessa kaum fassen, wie leicht Katya in Titus’ Armen zu sein schien. Dem Mädchen fehlte nicht nur Schlaf, sondern vor allem Nahrung und Wasser. Vanessa wusste, dass es ihr nicht zustand, sich hier einzumischen, doch später würde sie Titus darauf ansprechen – wenn sie beide allein wären.
    »Bin gleich wieder da, Liebes. Ich bringe nur schnell meine Katya ins Bettchen«, sagte Titus und ging zur Tür hinaus.
    »Kein Problem«, sagte Vanessa. »Mir geht’s gut hier.« Aber Titus war längst draußen, als sie ihren Satz beendete, und sie merkte, dass sie auf einmal nur mehr zu seinem Schwager gesprochen hatte, der die Augen auf sie gerichtet und die Hand auf die Türklinke gelegt hatte.
    Für einen Moment sah er sie wortlos an, dann, während er die Füße zusammenbrachte, als wolle er Haltung annehmen, senkte er ohne den Rücken zu beugen den Kopf, drehte sich um und zog die Türe hinter sich zu. Vanessa erwartete schon, dass sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Doch nichts dergleichen geschah, und sie blieb allein zurück, umgeben von einer plötzlichen und ganz eigenartigen Stille.
    Ein Satz kam ihr in den Sinn, den sie vor Jahren in irgendeinem Buch gelesen hatte: »Höflichkeit ist eine der gefährlichsten Waffen in einer zivilisierten Gesellschaft.« Sie merkte, dass Franz Claes nicht bloß dafür sorgte, dass sie sich unwohl fühlte. Es war vielmehr so, dass sie ihn einfach nicht ausstehen konnte.
    Vanessa kniff kurz die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, um jeden Gedanken an ihn loszuwerden. Lieber wollte sie anTitus denken. Sie hatte oft Schwierigkeiten, sich Dinge bildhaft vorzustellen, einen Ort oder eine Person. Mit Titus war das anders. Er hatte sich ihrem Gedächtnis in der ersten Sekunde tief eingeprägt. Zweifelsohne war er ein stattlicher Mann. Ein Meter fünfundachtzig vom Scheitel seines silbrig gelockten Haarschopfs bis hinunter zu seinen italienischen Lederschuhen. Männer mit Bärten hatten ihr nie sonderlich gefallen, aber auch das war bei Titus anders. Sein sorgfältig gepflegter Vollbart war eine Fortsetzung seiner wunderschönen Haare, und es machte ihr Spaß, ihn anzufassen.
    Sie wusste nicht genau, wie alt er war, aber sie schätzte ihn auf Ende fünfzig, wobei er allem Anschein nach körperlich gut in Schuss war und niemals müde wirkte. Seine strahlend blauen Augen waren mit das Auffallendste an ihm: Stets hellwach, erleuchteten sie manchmal glitzernd sein Gesicht.
    Er hatte einen erlesenen Geschmack. Seine Kleidung, sein Haus, seine Besitztümer – alles war perfekt. Und mit einer Mühelosigkeit getragen und besessen, wie Vanessa das nie zuvor erlebt hatte. Er liebte es, ihr Dinge zu zeigen – zwischen zwei hohen Bücherregalen im Arbeitszimmer beispielsweise ein kleines, angsteinflößendes Gorgonen-Porträt von Caravaggio, welches sie aus seinem dunklen Rahmen heraus böse anstarrte, oder im Salon die kleine Silberschachtel mit kyrillischer Aufschrift und Wappen, in der der letzte Zar seine Manschettenknöpfe verwahrt hatte.
    »Weißt du, die Bolschewiken forderten die Zarenfamilie auf, sich ausgehbereit zu machen, bevor sie sie erschossen. Möglicherweise war das hier das Letzte, was der Zar von seinen Sachen an diesem Morgen in Ekaterinburg berührte.«
    Vanessa erinnerte sich daran, wie vorsichtig Titus die Schachtel gehalten, sie ins Nachmittagslicht gehoben hatte, während seine Worte ihre Besonderheit

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