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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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alles, was Trave je besessen hatte. Über einer hohen, faltenlosen Stirn trug er das Haar kurz und sorgfältig nach hinten gekämmt, und wenn er nach etwas roch, dann nach teurem italienischen Rasierwasser. Eigenartig war aber irgendwie seine wächsernde Gesichtshaut, die so straff über die Knochen gespannt war, dass das Gesicht wie eine Maske wirkte. Auch seine Hände waren seltsam: lange, aufs Sorgfältigste gepflegte Nägel bildeten den Abschluss schlanker Finger, mit denen Macrae unablässig gestikulierte und dabei unsichtbare Formen zeichnete, berührte oder knetete. Die Hände eines Künstlers oder eines Würgemörders, dachte Clayton. Nicht die eines Polizisten.
    »Ein interessanter Fall, dieser Blackwater-Mord, nach allem, wasich gehört habe«, sagte Macrae, indem er nicht Clayton ansah, sondern seinen Blick auf einen Punkt in weiter Ferne richtete.
    »Ja«, antwortete Clayton leicht verhalten. Er ließ sich nicht täuschen von Macraes vermeintlich sanfter Art. Es war offensichtlich, dass der Inspector etwas im Schilde führte.
    »Zwei Pressekonferenzen bisher, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Ein richtig prominenter Fall also.«
    »Ja, scheint so.«
    »Na, hier gibt es ja auch alles, was dazugehört, oder nicht? Ein schönes Mädchen, das im Landhaus eines reichen Ausländers erschossen wird. Einen bewaffneten und noch dazu flüchtigen Tatverdächtigen, der schon zuvor getötet hat und das wohl auch wieder tun wird. Was will man mehr? Das ist etwas anderes als Ihre übliche Nullachtfünfzehn-Fahnderei nach irgendeinem Täter, nicht wahr, Constable?«
    Clayton nickte, ohne recht zu wissen, worauf Macrae hinauswollte.
    »Und ich vermute mal, dass Trave den Fall gekriegt hat, weil er auch beim letzten Mal die Ermittlungen leitete.« Macrae hielt inne, um gleich darauf amüsiert fortzufahren: »Aber wissen Sie, es heißt, er hätte auch ein ganz persönliches Interesse an dem Fall – das hat irgendwie mit seiner Frau und diesem Osman zu tun. Haben Sie davon gehört? Gerüchte, irgendwelchen Tratsch hier in der Dienststelle? Ich mache mir aus so was nicht sonderlich viel, aber ich frage mich, ob sich das vielleicht auf sein Vorgehen auswirkt.«
    Clayton schüttelte den Kopf und hielt den Blick weiterhin starr auf den Boden gerichtet. Er wusste jetzt, was Macrae vorhatte. Ein Fall wie dieser, für den sich die Medien interessierten, konnte mit einer schnellen, dramatischen Verhaftung für die Karriere eines ehrgeizigen Inspectors Wunder bewirken.
    »
Negativ
auf sein Vorgehen auswirkt«, ergänzte Macrae leise, indem er sich vorbeugte und so Clayton zwang, ihm in die Augen zu sehen. »Wie denken Sie darüber, Constable?«
    »Ich weiß nicht, Sir. Wir tun, was wir können«, erwiderte Clayton stoisch. Auch wenn ihn der Interessenskonflikt seines Chefs insgeheim durchaus beunruhigte, bedeutete das noch lange nicht, dass er diese Bedenken einer falschen Schlange wie Macrae mitzuteilen beabsichtigte.
    »Wir geben uns alle erdenkliche Mühe«, sagte Trave fröhlich vom Türrahmen aus – wie aus dem Nichts stand er plötzlich da. »Und obwohl wir sehr dankbar für Ihr Interesse sind, Hugh, haben wir leider überhaupt keine Zeit zum Plaudern. Es gibt allerhand zu tun. Habe ich recht, Adam? Kommen Sie!«
    Noch nie war Clayton einer Anordnung so gerne gefolgt. Er rannte praktisch aus dem Aufenthaltsraum und ließ Macrae mit verärgertem Gesichtsausdruck und roten Wangen zurück. Clayton wusste nicht, wie viel von Macraes Rede sein Chef gehört hatte, aber Traves Timing war einfach perfekt gewesen. Zudem schien er viel bessere Laune zu haben als je zuvor bei diesem Fall. Die Unterkühltheit der letzten beiden Tage schien der Vergangenheit anzugehören.
    »Was gibt’s Neues?«, fragte Trave, als er seine Jacke aufgehängt und sich in seiner bevorzugten Haltung niedergelassen hatte – den Stuhl auf die Hinterbeine gekippt und die Füße auf die Ecke des Schreibtischs gelegt. Clayton hatte ihn dabei noch nie die Balance verlieren sehen.
    »Der ballistische Bericht ist wie von Ihnen vermutet«, sagte Clayton und nahm den obersten Ordner vom Aktenstapel. »Die Kugel in der Tür und die in der Wand am Ende des Korridors stammen aus der Waffe von Claes; diejenige, die Miss Osman getötet hat, jedoch nicht. Das ist eine Art Standardkugel – könnte aus fast jeder Handwaffe abgefeuert worden sein.« Trave nickte, ohne sonderlich überrascht zu wirken. »Und was in Sachen Fingerabdrücke noch fehlte, kam auch«, fuhr

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