Der König der Diamanten
Clayton fort. »Swains Abdrücke finden sich am Schreibtisch des Arbeitszimmers und an der Leselampe …«
»Und auf dem Foto?«, fragte Trave.
»Auf dem neben der Leselampe?«
»Ja, auf dem von Katya.«
Clayton blätterte um und fuhr mit dem Finger die Liste der Gegenstände ab. »Nein, nichts. Nur Fingerabdrücke von Osman – sie haben sie ausschlusshalber genommen.«
»Interessant. Fahren Sie fort.«
»Nun, die Situation im oberen Stock kennen Sie ja bereits. Swains Abdrücke sind auf dem Kerzenhalter und an der Türe zu Katyas Zimmer.«
»Auf der Klinke?«
»Ja. Und direkt an der Türe.«
»Er war also dort. Wobei das nicht wirklich eine Überraschung ist, oder? Das wussten wir schon. Aber ist es nicht seltsam, dass er keine Handschuhe trug?«
»Vielleicht konnte er im Gefängnis keine auftreiben.«
»Vielleicht. Aber eine Waffe hatte er, oder etwa nicht? An so etwas ist doch viel schwieriger heranzukommen als an ein Paar Handschuhe.«
Clayton nickte und griff nach einem weiteren Stapel Berichte. »Kleidung«, sagte er, indem er einen Blick auf den obersten warf. »Das abgerissene Stück, das wir in den Rosensträuchern vor dem Arbeitszimmer gefunden haben, passt zu einem normalen Gefängnishemd.«
»Und wenn schon«, sagte Trave abfällig. »Das sind keine großen Neuigkeiten, oder? Wie schon gesagt, wir wissen, dass Swain dort war. Haben Sie den Autopsiebericht gesehen?«
»Nein.«
»Der ist nicht ganz so schlimm wie die Autopsie selbst«, sagte Trave und zog eine Grimasse. »Ich dachte, die erspare ich Ihnen.«
»Danke«, sagte Clayton, und das meinte er auch so. Sein Magen war von jeher schwach, und an den Anblick von Leichen hatte er sich bislang nicht gewöhnen können. Voller Scham erinnerte ersich an die erste Obduktion, bei der er gemeinsam mit Trave gewesen war: Schlagartig hatte er den Raum verlassen müssen, um sich nicht zu übergeben.
»Wie auch immer«, sagte Trave. »Die bringt uns nicht weiter. Sie hat ein bisschen was zu Abend gegessen, Hühnchen mit Erbsen, etwa vier Stunden, bevor sie starb. Todesursache war ein einzelner Schuss um null Uhr dreißig, plusminus fünf Minuten. Nichts deutet darauf hin, dass sie in den achtundvierzig Stunden vor ihrem Tod Drogen zu sich genommen hat oder medikamentös ruhiggestellt wurde.«
»Und was ist mit den Einstichen an ihrem Arm?«, fragte Clayton. »Gibt es dazu irgendetwas?«
»Ja. Einschlägigen Informationen zufolge nahm sie fast das ganze letzte Jahr und auch noch die Hälfte dieses Jahres Drogen, wobei ich stark bezweifle, dass sie über den gesamten Zeitraum an der Nadel hing. Aber das bedeutet, dass wir nie herausfinden, ob Jana Claes die Wahrheit sagt, wenn sie behauptet, sie hätte dem Mädchen nur zweimal Beruhigungsmittel verabreicht«, sagte Trave enttäuscht.
»Aber Osman hat uns demnach die Wahrheit gesagt, oder nicht? Dass er sie zu ihrem eigenen Schutz nach Hause geholt hat«, sagte Clayton. Es war ihm nicht entgangen, dass Trave Katyas Drogenkonsum herunterzuspielen suchte, als handele es sich dabei um ein harmloses Detail und nicht um eine wichtige Bestätigung dessen, was Osman bei seiner Befragung unmittelbar nach dem Mord angegeben hatte.
»Ja, ich denke, das hat er«, sagte Trave mit irritiertem Blick. Offensichtlich stimmte er nur ungern zu.
»Die Jungs von der Spurensicherung haben in Katyas Zimmer nichts Nennenswertes gefunden«, fuhr Clayton nach kurzer Pause und mit Blick auf den letzten der Berichte in seiner Hand fort.
»Wenn Sie mich fragen, hat jemand dort rechtzeitig einen vorgezogenen Frühjahrsputz veranstaltet«, sagte Trave. »Nichts von alldem hat uns wirklich weitergebracht«, setzte er seufzend hinzu. »Dann erzähle ich Ihnen jetzt mal, was ich herausgefunden habe. Die Frau in der Telefonzentrale sagt, es gab an besagtem Abend zwei Anrufe in Blackwater Hall, beide von ein und derselben Telefonzelle in der Stadt aus. Einen um null Uhr zwanzig und einen um null Uhr einundzwanzig. In beiden Fällen klingelte das Telefon sechs Mal, ohne dass jemand ranging. Ist doch interessant, oder? Ich bin raus nach Blackwater gefahren und habe Osman nach den Anrufen gefragt, und er sagte, er weiß nichts davon – sagt, er hat wohl geschlafen, und oben gibt es keinen Nebenanschluss. Das trifft tatsächlich zu – hab ich selbst überprüft.«
»Was ist mit Claes und seiner Schwester?«
»Jana sagt, sie hat auch geschlafen, aber bei Franz ist das anders. Sie erinnern sich bestimmt daran, dass er gesagt hat,
Weitere Kostenlose Bücher