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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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belauschen, obwohl er längst im Bett sein musste. Nur dass er jetzt fünfzehn Jahre älter war und den Revolver aus Mutters Kommode brauchte. Der wiederum befand sich direkt hinter der Wohnzimmertüre.
    Ben hatte sich über irgendeine Straßensperrung ausgelassen, darüber, dass er die Route ändern musste und deshalb früher heimkam, doch jetzt war er fertig, und David konnte hören, wie im Fernsehen die Nachrichten verlesen wurden: weitere Raketentests und die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten.
Kennedy oder Nixon
;
Nixon oder Kennedy – wen zum Teufel kümmert das eigentlich?
, dachte David. Aber vielleicht kümmerte es ja Ben; vielleicht schaute er zu, drüben, auf der anderen Seite des Wohnzimmers; vielleicht könnte er kurz reinschleichenund den Revolver aus der Kommode nehmen, ohne dass Ben ihn dabei sah.
    Die Tür war bereits offen, und Ben
schaute
Richtung Fernseher – mit dem Rücken zu David saß er in den Busfahrerklamotten im großen Sessel. Max war auf dem Sofa und las ein Buch, und Davids Mutter war nicht zu sehen. Langsam, aber sicher, Zentimeter für Zentimeter, so, dass sie kein Geräusch machte, öffnete David die Schublade der Kommode. Und da war er, der Revolver, genau da, wo seine Mutter ihn hingelegt hatte: auf einem Stapel alter Briefe. Es fühlte sich gut an, ihn wieder in der Hand zu haben. Sobald er ihn ergriffen hatte, fühlte er sich wieder stark, in Sicherheit. Er richtete sich auf und sah direkt in sein eigenes Gesicht, das ihm aus dem Fernsehapparat heraus entgegenstarrte.
    »… ist vergangene Nacht aus dem Gefängnis von Oxford entflohen und wird jetzt wegen Mordes gesucht, der unmittelbar darauf in einem alleinstehenden Anwesen unweit des Dorfes Blackwater begangen wurde«, leierte der Nachrichtensprecher mit unbeteiligter Stimme, während auf der Mattscheibe das stark vergößerte Bild prangte, das man von David nach seiner Festnahme vor zwei Jahren auf dem Polizeirevier gemacht hatte.
    David stöhnte auf. Ben drehte sich um und stieß beim Anblick seines Stiefsohnes, der hinter ihm in der Zimmerecke stand, einen wütenden Schrei aus. Doch die Waffe, die David in der Hand hielt und auf seinen Bauch richtete, sorgte dafür, dass er verstummte.
    »Was willst du?«, fragte Ben, indem er langsam ausatmete. Er hatte ganz offensichtlich Angst.
    »Sei still und setz dich hin«, sagte David. »Ich muss das sehen.«
    Im Fernseher sah man jetzt eine Art Pressekonferenz, mit Mikrofonen, die einem schlanken, müde wirkenden Mann mit zurückweichendem Haaransatz vorgehalten wurden. Er trug einen verknitterten, ausgebeulten Anzug, und seine Krawatte hing schief. David wusste, wer das war: Das war der Beamte, der damals für seinen Fall zuständig war, der, der ihn letztes Jahr im Gefängnisvon Brixton besucht hatte und mit ihm reden wollte. Er hatte einen ungewöhnlichen Namen – Trave, Inspector Trave. David konnte sich daran erinnern, wie die Augen dieses Mannes zugleich ganz traurig und dabei doch scharf und durchdringend dreinblickten, so, als wolle er durch David hindurchsehen, wie durch ein dunkles Glas, ohne es allerdings zu schaffen.
    »Er ist bewaffnet und gefährlich«, sagte Trave gerade. »Sollte er gesehen werden, wird die Öffentlichkeit gebeten, sofort die Polizei zu verständigen. Jeder Kontakt ist unbedingt zu vermeiden.«
    »Wo ist er? Gibt es irgendwelche Hinweise?«, fragte einer der Reporter und hielt dem Inspector sein Mikrofon vor die Nase.
    »Er war heute morgen in Oxford am Bahnhof und kaufte sich eine Fahrkarte nach London. Wir wissen nicht genau, ob er den Zug wirklich genommen hat, aber das könnte durchaus der Fall sein.«
    »Und was ist mit dem Mord?«, fragte ein anderer, unsichtbarer Journalist. »Können Sie uns nicht ein paar Details nennen?«
    »Es handelt sich um eine junge Frau Anfang zwanzig. Man hat sie in den Kopf geschossen. Der Tod wurde durch eine einzige Kugel verursacht«, sagte Trave. Er wirkte unruhig oder sogar ungeduldig, als schien er sich ganz weit weg zu wünschen.
    »Kannte der Mörder das Opfer?«
    »Ja.«
    Im Fernsehen wechselte man von der Pressekonferenz hin zu einem Foto von Ethan Mendel, doch David konnte nicht mehr verstehen, was der Nachrichtensprecher sagte. Seine Mutter befahl ihm lauthals zu verschwinden und forderte Max auf, zu ihr in die Küche zu kommen und sich hinter sie zu stellen. David machte sich Vorwürfe und wünschte sich, es wäre nicht so weit gekommen, aber ihm blieb einfach keine

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