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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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schlief derzeit ohnehin nicht gut. Das lag teilweise an dem Druck, der bei einem neuen Fall immer entsteht, insbesondere bei einem von solcher Prominenz. Teilweise aber auch daran, dass er ziemlich angespannt war, seit er Trave vor zwei Tagen im Bootshaus seine Bedenken darüber mitgeteilt hatte, wie der auf die Verbindung zwischen seiner Frau und dem Besitzer von Blackwater Hall reagierte. Hätte er doch nur geschwiegen. Trave war nicht mehr auf das Thema zu sprechen gekommen, deshalb hatte es auch keine Gelegenheit gegeben, sich zu entschuldigen oder genauer auf die Sache einzugehen. Aber er hatte mit Sicherheit nicht vergessen, dass sein Mitarbeiter Zweifel an seiner Professionalität geäußert hatte. Seit dem Gespräch hatte Trave ihn sehr reserviert behandelt, und die unterkühlte Atmosphäre hatte begonnen, am Selbstbewusstsein des jungen Mannes zu kratzen. Jetzt merkte er, wie wichtig das Wohlwollen und die Unterstützung seines Chefs bisher für ihn gewesen waren.
    Und dennoch fühlte sich Clayton zunehmend ungerecht behandelt. Er hätte den Interessenskonflikt nie angesprochen, wenn Trave die Leute in Blackwater Hall wie Zeugen behandelt hätte – und nicht wie Mordverdächtige. Kein Wunder, dass Claes undseine Schwester nicht sonderlich entgegenkommend gewesen waren, als Trave ohne Vorwarnung auf sie losging. Und Osman hatte ja ganz offensichtlich komplett neben sich gestanden, als sie in seinem Arbeitszimmer mit ihm gesprochen hatten – mit Blick auf das kaputte Fenster, durch das wenige Stunden zuvor dieser Swain eingedrungen war. Swain war zum passenden Zeitpunkt und mit dem passenden Motiv im Haus gewesen. Alles deutete auf ihn, dennoch wollte Trave sich nicht damit zufriedengeben. Lieber misstraute er weiterhin den angehäuften Indizien. Warum? Es gab einfach keinen Grund. Es sei denn …
    »Sie sehen echt scheiße aus, Mann. Stimmt was nicht mit Ihrem Liebesleben?«
    Clayton erblickte links von sich Inspector Macrae, der ihn von einem Stuhl in der Ecke aus ansah. Offenbar war er beim Eintreten zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um zu bemerken, dass außer ihm noch jemand im Pausenraum war. Aber so war Macrae – immer zur Stelle, wenn man am wenigsten mit ihm rechnete, immer eine anzügliche Bemerkung parat, auf die man nie eine Antwort wusste. Er war neu hier bei der Mordkommission, war aus dem Norden hierher versetzt worden, als der vorige Chief Inspector Finney pensioniert wurde. Und Clayton war genau wie alle anderen Assistenten auf der Hut vor ihm, denn der Ruf, der ihm vorauseilte, war der eines Mannes, der Wert auf Resultate legte – und nicht viel Rücksicht darauf nahm, wie sie zustande kamen. Er schien eine Vorliebe dafür zu haben, immer das Negative in den Menschen anzusprechen. Das war kein Zynismus mehr, eher ein ständiges Sich-lustig-Machen. Clayton ging das ziemlich auf die Nerven, und er versuchte, Macrae so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Heute war er die Person, mit der er am wenigsten reden wollte, aber er konnte ihm schlecht die kalte Schulter zeigen. Macrae war schließlich Inspector und er nur Constable, ganz unten in der Hierarchie der Abteilung.
    »Nein, Sir. Alles in Ordnung«, sagte Clayton und zwang sichdabei, freundlich zu klingen, so, als fühle er sich pudelwohl. »Nur sehr viel zu tun auf einmal. Mehr nicht.«
    »Na, dann setzen Sie sich mal und sagen mir, was los ist, mein Junge«, sagte Macrae und tätschelte den leeren Stuhl neben sich. »Vielleicht kann ich helfen.«
    »Die Arbeit an sich ist kein Problem. Ich muss nur Inspector Trave einen Bericht über den neuesten Stand der Ermittlungen abliefern, sobald er eintrifft«, sagte Clayton nervös.
    »Verstehe. Bill Trave kann hin und wieder ziemlich anspruchsvoll sein. Ich habe das schon selbst erlebt. Er macht Ihnen ganz schön die Hölle heiß, stimmt’s?«, fragte Macrae lächelnd. Ganz offensichtlich hatte er viel Freude an Claytons Unbehagen.
    »Nein, Sir. Ganz und gar nicht.«
    Macrae nickte verständnisvoll, so, als wisse er, dass Clayton nicht die Wahrheit sagen konnte, und zeigte erneut auf den leeren Stuhl. Clayton setzte sich. Er hatte keine andere Wahl.
    Noch nie waren Macrae und er sich so nahe gewesen, und er verspürte plötzlich eine starke Abneigung, die er sich selbst nicht erklären konnte. Es lag nicht etwa daran, dass der Mann hässlich war oder schlecht roch. Im Gegenteil: Inspector Macrae war ein gutaussehender Mann in den besten Jahren und trug einen Anzug, der teurer war als

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