Der König Der Komödianten: Historischer Roman
kleinen Dispens, der für Geld zu haben ist. Ich habe meiner Mutter geschrieben, sie solle mir genug davon schicken, damit es dafür gleich mit reicht.«
Das Geplapper wollte kein Ende nehmen, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu, weil ich ständig an Elena denken musste. Schließlich behauptete ich, zum Abtritt zu müssen, und ließ Iseppo stehen.
Damit es keine Lüge war, ging ich tatsächlich zum Abtritt, doch danach kehrte ich nicht ins Haus zurück, sondern stahl mich davon, um einen kleinen Streifzug durch das Sestiere zu machen. Mir war klar, dass ich damit riskierte, möglichen Feinden über den Weg zu laufen, doch zumindest von Aldo ging momentan keine Gefahr aus, da er hinter Gittern saß, und auch Morosini war mir nur noch halb so unheimlich, seit ich wusste, dass seine Großzügigkeit nicht von Hinterlist, sondern von der Liebe zu meinem Doppelgänger bestimmt war.
Dass neuerdings auch Celsi eine Rolle in dem Verwirrspiel um meine Vergangenheit einnahm, war zwar bedenklich, doch ängstigte ich mich nicht allzu sehr vor ihm, denn falls er mir Übles wollte, hätte er längst Mittel und Wege gefunden, es in die Tat umzusetzen.
Was den Prior, den Notar und den Fremden anging, so weilten diese zwar in der Stadt, doch der Campo dei Mori war weit genug weg, am anderen Ende Venedigs.
Im Grunde war alles nur halb so wild, überlegte ich. Die faszinierenden Umwälzungen, die das Leben mir derzeit bot, ließen jegliches Zagen lächerlich erscheinen. Allein die Erfahrung des Küssens schlug alles, was mir sonst noch widerfahren war, meilenweit aus dem Feld.
In Gedanken versunken stromerte ich durch die Gassen von Castello. Die Häuser waren hier schlichter als in San Marco, viele der Gassen schlecht gepflastert, die ganze Gegend etwas ärmlicher. Hier lebten viele Ausländer, Matrosen und Arbeiteraus dem nahen Arsenal, die in den umliegenden Gassen ihre Unterkünfte hatten. Es roch nach Teer und frisch gesägtem Holz und großen Mengen von Fisch.
Am Ende führte mein Weg mich dorthin, wo alle Wege Venedigs mündeten: zum Meer. An der Riva degli Schiavoni ankerten viele Schiffe, darunter hochseetüchtige, dickbauchige Frachter, von denen Träger die Ladung über schwankende Stege an Land schleppten. Matrosen, Fischer und Händler bevölkerten den Kai, und dazwischen wimmelte es von Hafenarbeitern, Arsenalotti , 37 Soldaten und Beamten. Inzwischen hatte ich gelernt, sie an ihrer Kleidung und ihrem Auftreten zu unterscheiden. Die Soldaten waren leicht an ihren Waffen und Helmen zu erkennen. Die Matrosen trugen meist abgerissene, von der Salzluft ausgebleichte Seemannskluft und unterschieden sich von den Hafenarbeitern und Arsenalotti durch ihren wiegenden, offenen Gang. Die Fischer rochen durchdringend nach ihrem letzten Fang, die Händler waren zumeist schwarz gekleidet. Die Beamten wiederum, häufig ebenfalls in Schwarz, taten sich durch herrisches Gebaren hervor.
So trafen hier, nahe den Ozeanschiffen und Galeeren, Menschen aus aller Herren Länder und aus allen Winkeln der Stadt zusammen, eine bunte Vielfalt, die das blühende Wirtschaftsleben Venedigs und zugleich den weltumspannenden Seehandel widerspiegelte.
Der Wind knatterte in den gerefften Segeln der Frachter, die Sonne glänzte auf rot beplankten Galeeren, und dahinter leuchtete das Wasser der Lagune.
Vor einem Durchgang hatte man einen langen Tisch aufgebaut, an dem Verwaltungsbeamte saßen und Hafenarbeiter anheuerten.
Da ich die edle Kleidung meines Doppelgängers wegen des ihr anhaftenden Gefängnisgestanks gegen mein rustikalesCapitano-Kostüm getauscht hatte, kam ich offenbar in die nähere Auswahl für kernige Männerarbeit.
»Du da!«, rief mich einer der Herren in den schwarzen Umhängen an. »Du bist groß und kräftig, suchst du Arbeit als Stauer?«
Aus eher beiläufigem Interesse erkundigte mich nach der Höhe der Vergütung und erfuhr, dass die Arbeit nicht schlecht bezahlt war. Es war nicht ganz so viel wie das, was ich bisher bei den Incomparabili bekommen hatte, aber auch nicht viel weniger; ein Mann könnte davon leben. Dann jedoch rechnete ich noch mutmaßliche Kosten für Essen und Wohnen ab – was, wie ich wusste, in Venedig teuer war – und kam rasch darauf, dass dabei so gut wie nichts vom Lohn übrig bliebe. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hartes Schuften in den Docks und am Kai – ein beträchtlicher Gegensatz zu dem eher lockeren Leben bei der Truppe, wo jeder immer nur gerade das tat, was nötig war.
Am
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