Der König Der Komödianten: Historischer Roman
an. »Was schaust du so dämlich?« Ich trat gegen einen der Laugenbottiche. »Was willst du überhaupt hier? Musst du waschen, oder was?«
Tatsächlich hatte er seine Kutte sowie sein Untergewand nach dem unfreiwilligen Bad in der Lagune zur Wäsche geben müssen. Er trug Beinkleider, Schnabelschuhe und ein Wams von Cipriano.
»Ich wollte nicht stören«, wiederholte er verschreckt.
»Schon gut«, knurrte ich.
Er holte tief Luft und platzte dann heraus: »Frönt ihr der Sünde, du und das Mädchen?«
»Wie kommst du darauf ?«
»Na ja, du hast sie gerade …«
»Das war ganz harmlos«, unterbrach ich ihn.
Ungläubig starrte er mich an.
Ich riss mich zusammen. »Hör mal, Iseppo, du wirst doch mit niemandem darüber sprechen, oder? Ich meine, dass Elena und ich … Dass ich sie gerade …«
Er warf sich in die Brust. »Ich kann schweigen wie ein Grab! Nicht einmal unter der Folter würde ich es preisgeben! Deine heimliche Liebe ist bei mir sicher!«
Heimliche Liebe? Ich stutzte bei diesen Worten, die sich anhörten, als stammten sie aus meinem Stück. Oder einem beliebigen anderen Theaterstück. Nicht aber aus dem wirklichen Leben. Merkwürdige Gefühle wollten in mir aufwallen, doch ich verdrängte sie entschieden, denn es war nicht die rechte Zeit, um darüber nachzudenken.
»Danke, Iseppo. Es tut mir leid, dass ich dich vorhin so angefahren habe.«
»Nicht doch! Unter Freunden kann das vorkommen.«
Seine Großmut beschämte mich. »Wenn du willst, helfe ich dir beim Waschen deiner Sachen«, bot ich an.
»Oh, das ist sehr lieb von dir, Marco, aber es ist nicht nötig. Es ist alles schon sauber und hängt auf dem Dach, da ist es bis heute Abend trocken. Obwohl ich nicht weiß, ob ich die Kutte überhaupt noch einmal anziehen möchte.« Er betastete das hellgelbe Wams, das Cipriano ihm geborgt hatte. »Findest du, dass es mir steht?«
»Auf jeden Fall besser als die Kutte.« Ich merkte, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte. »Liegt irgendwas an?«
»Meinst du, ich könnte in dem neuen Stück vielleicht eine Rolle bekommen?«
Ich war verblüfft. »Eine Rolle? Als was denn?«
Er brachte es kaum heraus. »Als Ciprianos Dienerin.«
»Hast du Dienerin gesagt?«, vergewisserte ich mich.
Er nickte mit hochroten Wangen. »Henry sagt, in England würden alle Frauenrollen von Männern gespielt. Und Cipriano meint, er werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Rosalinda geben müssen, weil Caterina … nun ja, er sagte, man könne sich nicht immer auf sie verlassen. Und er sagte, dass das Stück auch gespielt werden müsse, wenn sie gerade keine Lust hat oder unterwegs ist. Deshalb studiert er ja auch die Rolle ein. Dann könnte er gut eine Dienerin gebrauchen. Aurelia hat immerhin auch eine, nämlich die Colombina.«
»Das weiß ich. Aber es war eigentlich so gedacht, dass Colombina die Dienerin von Aurelia und Rosalinda ist. Die zwei sind Cousinen und wohnen beide in Pantalones Haus.«
»Cipriano sagt, dass Franceschina demnächst infolge … äh …« Er suchte nach Worten. »Infolge … gesundheitlicher Unpässlichkeiten …« Er brach ab und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Weil sie … weil sie …«
»Er hat dir davon erzählt?«
Er nickte und zerrte verlegen an seinen Ärmeln. »Cipriano sagte, bald könne es sowieso jeder sehen.«
»Heißt das, du willst Franceschinas Rolle lernen, um für sie einspringen zu können?«
Voller Eifer bejahte er. »Bis sie aufhört, wäre ich gewiss so weit, sie würdig zu vertreten! Und so lange könnte ich einfach nur so als zweite Dienerin mitspielen.«
»Was meinst du mit einfach nur so ?«
»Indem ich bloß dabei bin, ohne zu sprechen.«
»Als stumme Dienerin?«, fragte ich zerstreut. Ich konnte mich kaum auf Iseppos Anliegen konzentrieren, denn meine Gedanken irrten beständig ab, um unweigerlich an ein und derselben Stelle zu enden: bei dem Kuss, von dem es mir immer noch heiß war bis in die Fingerspitzen.
Iseppo ließ sich nicht beirren. »Ich kann Colombina als Gehilfin zur Hand gehen und dabei aufpassen, was sie macht und sagt, und wenn sie … ähm, niederkommt, übernehme ich einfach ihren Part.«
Mit glühenden Wangen setzte er mir seine Pläne auseinander. Er hatte sogar noch weitergedacht: Wenn nämlich Cipriano eine Männerrolle spiele, etwa einen der Vecchi, so könne er, Iseppo, gleichsam korrelierend, eine männliche Dienerrolle übernehmen, ebenfalls stumm. Er könne auch, sofern Elena einmal indisponiert sei,
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