Der König Der Komödianten: Historischer Roman
angefasst haben! Und nicht nur das!«
Ihre Miene war eine einzige Anklage.
Ich biss die Zähne zusammen und setzte an, ihr den Hergang des Vorfalls zu erläutern, doch bevor ich mehr als einen halben Satz äußern konnte, erschien Rodolfo in der Durchstiegsluke. »Wo bleibt ihr denn? Elena, du bist immer noch nicht für deinen Auftritt umgezogen. Marco, Cipriano wartet unten im Hof auf dich. Vor dem Tor ist schon einiges los.«
Mit erhobener Nase stolzierte Elena an mir vorbei und verschwand durch die Luke. Mehr gleitend als kletternd hangelte sie sich an Rodolfo vorbei nach unten, während dieser noch auf der Stiege stand.
»Ärger im Paradies?«, fragte er mich belustigt.
Ich zuckte die Achseln und wartete, bis er die Leiter geräumt hatte, damit ich ebenfalls hinuntersteigen konnte.
Rodolfo hob schnuppernd die Nase, als ich unten ankam. »Warst du in dem Badehaus?«, wollte er wissen.
Allem Anschein nach fühlte auch er sich berufen, über jeden meiner Schritte Bescheid zu wissen. Was hatte ich an mir,solche Regungen herauszufordern? Trug ich nicht Schwert und Harnisch und war über sechs Fuß groß? War ich nicht ein erwachsener Mann?
»Das ist allein meine Sache«, sagte ich lässig. »Ich bin ein erwachsener Mann.«
»Der Größe nach sicher«, versetzte Rodolfo. »Aber was Frauen angeht …« Er ließ das Ende des Satzes unausgesprochen, doch es war nicht weiter schwer, sich den Rest selbst zu denken. Als ich mit ihm zusammen nach unten ging, fühlte ich mich wie der unbedarfteste Tölpel vom Lande.
Vor dem Tor drängten sich mehr Leute als sonst, denn Rodolfo und Cipriano hatten die neue Jonglage mit fünf Feuerfackeln auf den Plätzen des Sestiere groß angekündigt, und während Cipriano als Ausrufer aufgetreten war, hatte Rodolfo dazu effektvoll mit zwei brennenden Fackeln jongliert, sodass die Zuschauer sich ausmalen konnten, wie unglaublich es erst mit fünfen wirken würde.
Die Leute strömten in Scharen durchs Tor und zur Treppe, nachdem sie ihren Obolus entrichtet hatten, und ich hatte buchstäblich alle Hände voll zu tun, die korrekte Anzahl der Münzen nachzuhalten und Wechselgeld herauszugeben, wofür ich mehrere Beutel mit unterschiedlichen Münzen an meinem Gürtel hängen hatte.
»Es ist eine Frage der Konzentration«, hatte Cipriano mir erklärt. »Wenn man die Sache mit dem Geld erst einmal durchschaut hat, kann einen keiner mehr so leicht begaunern.«
Mittlerweile kannte ich alle unterschiedlichen Münzen. Auch musste ich ihren Wert nicht mehr in Zuckerkringeln umrechnen, es gab viele andere Güter, die ich zur Veranschaulichung heranziehen konnte, auch wenn mir für größere Summen – etwa solche, die über den Wert eines Athanors hinausgingen – noch die Maßstäbe fehlten.
Unter den letzten Besuchern war Morosini, maskiert wie beim letzten Mal. Er hatte ein in Tuch gewickeltes Bündel unter dem Arm, das er mir reichte, nachdem ich das Tor geschlossen hatte.
Ich konnte mich eines leichten Unbehagens nicht erwehren. »Ich kann das nicht annehmen, Messèr Morosini!«
»Unfug. Giovanni würde es ebenfalls wollen. Fast ist mir schon, als wärst du sein Bruder. Je öfter ich dich ansehe, desto stärker fühle ich so.« Grübelnd furchte er die Stirn. »Manchmal überlege ich, ob es möglich wäre … Aber nein, wie hätte das sein können?«
»Wie hätte was sein können?«
»Dass meine Schwester damals Zwillinge gebar statt nur eines einzigen Sohnes.«
Ob das möglich war, hätte ich auch gern gewusst. Mittlerweile kam es mir immer mehr so vor, als stochere Morosini, was meine Vergangenheit anging, ebenso im Nebel wie ich.
Ich betastete das Bündel und spürte einen kantigen Gegenstand.
»Es ist ein Buch«, sagte Morosini. »Giovanni liest so gerne. Ich weiß von Caterina, dass du es ebenfalls mit dem Lesen hast. Daher dachte ich, ein wenig neue Lektüre könne nicht schaden. Und neue Kleidung ebenso. Wie ich hörte, warst du wieder in den Giardini.«
»Es war ein Missverständnis«, beteuerte ich.
»Das weiß mittlerweile ganz Venedig. Alle Welt redet über das grausige Ende des armen Mocenigo.«
»Ihr kanntet ihn? Mein Beileid!«
Morosini zuckte die Achseln. »In Venedig kennt jeder jeden. Sein Verlust hinterlässt keine großen Lücken.«
»Kennt Ihr auch einen gewissen Messèr Celsi?«, platzte ich ohne nachzudenken heraus.
Die Maske verbarg seine Reaktion auf meine Frage, und bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, mischte sichRodolfo ein. »Es wird Zeit,
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