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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Tag verging, das Dunkel brach herein
    Und Nacht entzog die Wesen auf der Erden
    All ihren Müh’n, da rüstet’ ich allein
    Mich zu dem harten Krieg und den Beschwerden. 7
    Schreibend ergründete ich gewissermaßen das wahre Ausmaß meines Leids, lotete die infernalischen Implikationen meiner Verlassenheit aus, nur war, anders als bei Dante, nirgends ein Vergil in Sicht, um mich auf meinem Weg durch die Hölle zu begleiten. Tränen des Selbstmitleids stiegen mir in die Augen, und wie schon im Scriptorium überkam mich das Bedürfnis, meinen Empfindungen durch selbst erdichtete Verse mehr Tiefe zu verleihen.
    Hier sitz ich nun und habe nichts zu beißen
    Hinfort mich trieb der Mörder schlimme Ränke
    Der Hunger wird mein Inneres zerreißen
    So sterb ich jung und fern von jeder Schenke eh ich’s recht bedenke.
    Im Geiste sah ich mich auf dem nackten Pflaster liegen, dahingerafft in der Blüte meiner Jugend, während der Wind mir das Blatt mit meinen letzten Worten aus der schlaffen Hand wehte, vielleicht an einen Ort, wo es von Menschen gefunden wurde, die mich zwar nicht kannten, aber beim Lesen meiner Zeilen einen Anflug stiller Wehmut verspürten.
    Ob Caterinen mich denn sieht, die Schöne
    Entseelt auf kalter Steine hartem Grund
    Kein lebend Herz, verklungen alle Töne
    Verschlossen ist auf alle Zeit mein Mund.
    In dieser Art dichtete ich noch eine Weile weiter, und wer weiß, zu welchen Höhenflügen mich der drohende Hungertod noch angespornt hätte, wäre ich nicht von einem Ausruf aus meiner elegischen Stimmung gerissen worden.
    »Wenn das nicht Marco ist, der Junge mit der Krücke!«
    Überrascht aufblickend, gewahrte ich nur wenige Schritte von mir entfernt den blond gelockten Schauspieler aus dem Wald.
    »Seid gegrüßt, Messèr Cipriano!«
    »Nicht doch. Nenn mich einfach Cipriano, denn ich bin nicht viel älter als du und gewiss nicht höher gestellt.«
    »Es freut mich, Euch … dich wiederzusehen«, sagte ich mit einiger Erleichterung. Wenn er mir die vertrauliche Form der Anrede antrug, hatte er vielleicht auch ein Stück Brot für mich.
    Er grinste mich an. »Wie ich sehe, bist du unter die Mönche gegangen.«
    Indigniert zerrte ich an der Kutte. »Nicht freiwillig. Nach dem Tod meines Onkels kam ich ins Kloster, und dort gab es nichts anderes zum Anziehen.«
    »Den Kopf hat man dir aber nicht geschoren.«
    »Das hat man mir für später in Aussicht gestellt«, erklärte ich. »Zur Profess.«
    »Aha. Dann bist du ein Novize. Ist dein Kloster hier in Padua?«
    Ich wog kurz die Risiken einer unerwünschten Entdeckung gegen mein Verlangen nach Ehrlichkeit ab und schüttelte schließlich stumm den Kopf, worauf Cipriano sofort den richtigen Schluss zog.
    »Du bist weggelaufen«, stellte er fest. »Hast dich nicht wohlgefühlt unter den Betbrüdern, was?« Er musterte mich mitfühlend. »Wer will es dir verdenken! Mich haben sie auch fast drei Jahre lang in den Klauen gehabt, bis ich es schaffte, davonzurennen. Das war damals in Ferrara. Ich war vierzehn, und mir tun heute noch die Knie vom vielen Beten weh.«
    Froh, keine näheren Erklärungen über meine Flucht abgeben zu müssen, nickte ich. »Ja, das Klosterleben ist nicht jedermanns Sache.«
    »Dein Bein ist immerhin wieder heil, oder?«
    »Die Krücken bin ich seit gestern los. So lange musste ich warten. Mit dem … hm, Weglaufen.«
    »Verstehe.« Cipriano deutete auf das Papier. »Was hast du da geschrieben?«
    »Ach, das ist nichts.« Verlegen stopfte ich mein Gekritzel mitsamt Feder und Tintenfass zurück in meinen Wandersack.
    »Schmachtverse, wie?« Abermals grinste er, doch auf eine Weise, die völlig frei von Arg war, sodass ich nicht anders konnte, als zurückzulächeln.
    »So was Ähnliches«, gab ich zu.
    »Schreibst du gern?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ist besser, als nichts zu machen.«
    »Damit hast du auf jeden Fall recht. Kannst du Latein?«
    »Iam a pueritia linguam Latinam didici ab avunculo meo.« 8
    »Donnerwetter.« Cipriano wirkte beeindruckt. »Das klingt nach einem sehr harten und langen Studium.«
    »Langweilig war es wirklich manchmal.« Nur zu gut erinnerte ich mich an ungezählte Stunden, in denen ich bis zum Überdruss deklinieren und Vokabeln lernen musste. Allerdings hatte Onkel Vittore auch die Gabe besessen, das anschließende Abfragen zu einer lustigen Angelegenheit zu machen. Immer, wenn meine Leistung zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war, belohnte er mich mit einem Kunststückchen, etwa, indem er mit drei

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